Essen. Bis in sein neuntes Lebensjahrzehnt hinein war er rastlos tätig - im Raum. Der Architekt, Bildhauer und Maler Erich Reusch starb mit 94 Jahren.
Eine pinkrosa Milchstraße zieht als Leuchten durch das titellose Acrylbild von Erich Reusch, das in der Ausstellung „Farbanstöße“ im Bochumer Museum unter Tage zu sehen ist. Über Tage schon leiten fünf farbstarke Zylinderformen von Reusch die Blicke durch den Schlosspark von Weitmar.
Der 1925 in der Lutherstadt Wittenberg geborenen Erich Reusch, der gelernte Architekt, hat schon früh zunächst die Bildhauerei und dann die Farbe als Mittel zur Gliederung des Raums begriffen. Bereits in den 50er-Jahren holt er noch vor Künstlern wie Carl Andre die Skulptur vom Sockel, weil es ihm um ihre visuelle Gravitationskraft ging, mit der ein undefinierter Raum zu einem Ort wurde.
Architekt für Siedlungsbau in Düsseldorf, Hannover, Frankfurt und Meckenheim
Reusch, der in den 50ern als Architekt in Düsseldorf arbeitete und hier wie in Hannover, Frankfurt und Bonn (Trabantenstadt Meckenheim) Siedlungsbau betrieb, wurde 1973 zunächst die Klasse für Freie Kunst an der Düsseldorfer Kunstakademie anvertraut und zwei Jahre später der Lehrstuhl für die Integration von Bildender Kunst und Architektur. Seine ,„dezentralisierten“ Skulpturen waren nicht nur Mittel, sondern auch Ziel seiner Architektur – aus diesem Verständnis heraus entstand etwa der „Wasserrelief“-Forumsbrunnen der Ruhr-Universität, die Platzgestaltung am Bochumer Rathaus, der Corten-Stahl-Quader am Düsseldorfer Burgplatz, die Raumplastik im Seepark Lünen oder, als eines seiner Hauptwerke, die beeindruckende Neugestaltung des Ehrenmals für den 20. Juli 1944 im Berliner Bendlerblock 1979.
Ostwall-Museum, Lehmbruck, Folkwang, Glaskasten und DKM
Reusch ist in vielen Ruhrgebiets-Sammlungen vertreten, vom Dortmunder Ostwallmuseum über den Marler Glaskasten und das Essener Folkwang bis zum Skulpturenpark des Lehmbruck-Museums in Duisburg oder dem DKM-Museum dort. Das Bonner Kunstmuseum, das Museum unter Tage und zuletzt Schloss Moyland am Niederrhein würdigten ihn mit Ausstellungen.
Ein unermüdlicher Künstler Erich Reusch, der in den 60er- und 70er-Jahren Multimedia-Kunst wie seine elektrostatischen Glaskästen, kinetische wie akustische Skulpturen schuf, bedauerte es noch in seinen Neunzigern fast jeden Tag, wieder einmal Feierabend machen zu müssen im Atelier im sauerländischen Neuenrade. Am Sonntag aber ist er mit 94 erfüllten Jahren nach sechswöchigem Kampf um sein Leben gestorben. Seine Kunst wird bleiben.