Essen. Der Mensch hinter dem tenoralen Gesamtkunstwerk: „Pavarotti“ ist Kino allein aus Archivmaterial, aber doch eine packende Filmbiografie.

Als Luciano Pavarottis Tochter acht ist, soll sie in der Schule einen Aufsatz schreiben. Thema: Vaters Beruf. Cristina ist sich sicher: Papa ist ein Dieb. Die Indizien sind ja eindeutig: „Er arbeitet grundsätzlich nachts. Und er verreist mit einem Koffer voller falscher Bärte.“

Ein Mosaikstein von geschätzten 100. Das große Bild heißt schlicht „Pavarotti“ und schenkt Opernverrückten einen prachtvollen Kinofilm. Opulent ist er, durchaus pathetisch, aber doch fähig, das Denkmal vom Ritter des hohen C mit feinen Rissen zu zeigen. Das Porträt des überlebensgroßen Tenors (der Bäckersohn aus Modena verkaufte mehr Platten als Domingo und Carreras zusammen) schultert ein zweifacher Oscar-Preisträger. Das Ergebnis ist ein dokumentarfilmisches Monument von fast zwei Stunden.

Oscar-Preisträger Ron Howard zeigt im Kino den Menschen und Künstler in seinem Film „Pavarotti“

Ron Howard („A Beautiful Mind“) hat kein Biopic kreiert. Es gibt keine gecasteten Darsteller, es sei denn, man zählte die zwei Dutzend Zeitzeugen dazu, die natürlich ihre eigene Wahrheit über „Big P.“ erzählen. Dirigenten, Assistenten, Sänger, Geliebte. Sie schwärmen, sie verneigen sich, manche genießen den erinnerten Windschatten gar kulinarisch und erzählen, wie sie Pavarotti fünf Kilo Parmesan in die USA schmuggelten, andere („Er hatte 28 Koffer, selbst gepackt hat er nie!“) würzen die Hommage mit kleineren Spitzen.

Aufs Ganze gesehen hat Howard viel erreicht. Pavarottis erste Frau Adua (seine erste große Liebe, mit ihr hatte er drei Töchter, sie brachte dem Todkranken Pasta ans Bett) spricht und seine letzte, Nicoletta, auch. Eine Schlammschlacht ist der Film nie. Dass die größten Kräche (der Rauswurf nach 40 Jahren Ehe, das Testamentswirrnis) nicht im Zentrum stehen, wird allein Voyeuren fehlen. Zu wessen Leben würde „prima la musica“ besser passen?

Starke Schätze aus den Archiven: Es sprechen auch Gattinnen und Liebhaberinnen des Tenors Luciano Pavarotti

Howard wuchert – unter viel Verdi und noch mehr Puccini – mit seinem enormen Reichtum an gehobenem Archivmaterial, allen voran mit anrührenden Bildern aus einer Kindheit zwischen Krieg und jener Verhätschelung, die einem norditalienischen Knaben in tantenreicher Sippe eben zuteil wird. Später dann kuriose Kochszenen, leibhaftige Duschgesänge und jene Interviews, die bei aller charmanten Schlagfertigkeit des nicht eben intellektuellen Gesamtkunstwerks immer wieder die immense Verletzlichkeit Pavarottis zeigen. Wir sehen sie, vor den Auftritten etwa: Sterbensangst, nannte er das selbst. Live zu singen, sei eben nicht Poker, sondern Schach: „Wenn du verlierst, hast du keine Ausrede!“

Howard setzt nicht auf eine biografische Schlammschlacht, aber sein Film „Pavarotti“ zeigt ein Denkmal mit Rissen

Howard baut den Film wie eine Oper. Und also ist „Pavarotti“ die Heldenreise des Grundschullehrers, aus dem der größte Opernstar seiner Zeit wird. Einer, der Massen zur Oper verführt und die Klassik nicht nur mit den Drei Tenören in ungekannte kommerzielle Sphären emporschnellen lässt. Howard zeigt einen Erfolg, zu dem Verlust gehört, ja gehören muss. Die Einsamkeit des Hotel-Lebens erträgt der Tenor nur mit Essen, einer gewaltigen Entourage – und einigen Liebschaften. Und weil Pavarotti selbst, von Diven-Empfindlichkeiten abgesehen, ein Herzchen ist, empfiehlt man ihm als Manager das Gegenteil: „Sie sind so ein netter Mann, sie brauchen einen Scheißkerl an ihrer Seite.“

Einmal sagt Pavarotti: „Die Oper ist eine Lüge, die auf der Bühne schrittweise zur Wahrheit wird.“ Ein großes Wort für diesen Film, aber ein bisschen näher rangekommen sind wir mit Sicherheit.

Zum Start, 26.12, ist der Soundtrack auf CD erschienen, alles Pavarotti – von „O sole mio“ bis zu „Miss Sarajevo“ an der Seite von Bono. Decca, ca 16€