Düsseldorf. Sensationelle Sopranistin, hilflose Inszenierung: In Düsseldorf versucht Rolando Villazóns Bellinis „I Puritani“ zu inszenieren. Es misslingt.
Freunde der italienischen Oper, machen wir uns nichts vor: Für die meisten Schöpfungen des Belcanto ist die Handlung etwa so relevant wie Dialoge in Filmen mit Dolly Buster. Was tun? Um jeden Preis behaupten, unter all dem Mantel- und Degen-Quatsch glimme doch das Licht von Wahrheit und Botschaft?! Das jedenfalls scheint die Linie an Düsseldorfs Rheinoper.
Es inszeniert: Rolando Villazón. Der Tenor hat sich mit der Opern-Regie ein zweites Standbein geschaffen. Es reichte bislang zum soliden, mitunter komischen oder ironiefähigem Handwerk. Für Vincenzo Bellinis „I Puritani“ (inhaltlich ein um Oliver Cromwells Rebellentrupp sich scharender Schmachtfetzen, der 1835 auf der Walter-Scott-Welle ritt) reicht das nicht. Um den absurden Purzelbäumen des Librettos, dem selbst der Komponist Unfug attestierte, mit Verstand beizukommen, muss man ein großer Visionär sein, entschlacken, klären.
Effekte unter Phantasialand-Niveau
Aber Rolando Villazón ist nicht Stefan Herheim. Was wir am Rhein seit Mittwochabend sehen, ist ein Historiengemälde im dichten Nebel der Küchenpsychologie. In der fürs Drama üblichen Konstruktion, dass junge Liebende am besten aus verfeindeten Lagern stammen, liebt die Puritanerin Elvira (Cromwell-Seite) den königstreuen Tenor Arturo. Lassen wir das Ping-Pong von Hass/Rache/Erotik/Schmach beiseite, das die Geschichten allzu voltenreich befeuert, haben wir es mit einem schlimmen Mädchenschicksal zu tun. Elvira deutet Arturos Heldentum gegenüber der Witwe des frisch enthaupteten Königs falsch. Sie erleidet einen Dachschaden.
Ob dieser in Dieter Richters Bühne – ein gottverlassenes Kirchenschiff mit altem Chorgestühl – nicht schon vorher da war? Villazón zeigt Elvira früh als ein Seelchen mit kräftigem Knacks. Sie ist ein Mix aus Donizettis über fehlgeleitete Liebe verrückt gewordener Lucia und jenen Hysterikerinnen, die das 19. Jahrhundert in Frauen zu erkennen glaubte.
Bellinis „Puritani“: ein hilfloser Kostümschinken mit herausragenden Sängern
Peinlich freilich die Effekte, die das untermauern sollen: Dass schwarzbestrumpfte Hände sich aus Wänden räkeln, wenn die Dame Gespenster sieht – sowas macht selbst das Phantasialand professioneller. Mischen sich Wahn und Wirklichkeit, setzt Villazón gern auch „Slow Motion“ ein: Mindestens die Hälfte des (klanglich sehr guten) Chors beherrscht die Technik der verlangsamten Geste aber gar nicht – also geht auch dies daneben. Immerhin: Die Regie weiß oft nicht recht weiter, es aber am Ende umso besser. Villazón streicht das Happy-End: Elvira bleibt irre und allein, es heiraten (halluziniert?) die Falschen.
So ziehen wir zweifach den Helm (Susanne Hubrich hat zum Schinken die geeigneten Kostüme entworfen) vor der Hauptdarstellerin. Adela Zaharia, der vielleicht beste Sopran, den für dieses Fach NRWs Bühnen derzeit vorweisen, dient der verqueren Inszenierung mit Hingabe. Ihr Irrsinn verliert nie das Verletzliche, im Überdrehten weiß sie noch Wahrhaftigkeit zu verkörpern. Wenn ins Schauerhistörchen die Gegenwart in Form der Maschinenpistole einzieht, nimmt sie die Knarre glaubhaft zum Gatten. Zu steigern ist das im Gesang: Überwältigend Elviras Parade-Arie „Son vergin vezzosa“ – wir hören Spitzentöne wie gemeißelt, nobel ausgeformte Bögen, dazu Koloraturen, die nie scharf klingen, sondern Ton für Ton im edelsten Perlmutt schimmern.
Das Ereignis in „I Puritani“ ist die Sopranistin Adela Zaharia als Elvira
In der Güte hält sich allein Bogdan Talos als Giorgio: Eine Autorität aus Bronze und Balsam, ein Belcanto-Bass, der jedem Haus der Welt Ehre machte. Ioan Hotea hatte als Arturo keinen guten Tag. Der Ehrgeiz, mit dem er eingangs zu den Spitzentönen emporschnellt, wird nach der Pause zur Falle: Trübungen kommen, dann ein Ausfall. Das zweifellos große Talent allein nach Tagesform zu beurteilen, wäre aber unfair.
Mit Antonino Fogliani haben Duisburgs im guten Sinne routiniert agierende Philharmoniker einen Spezialisten des Genres am Dirigentenpult. Darüber hinwegtäuschen, dass in den 170 Minuten „Puritani“ nur eine gute Stunde wirklich exzellenter Musik steckt, vermag, bei aller Verve, auch er nicht.