Essen. Kann man aus den Liedern von Leonard Cohen, Johnny Cash und Eric Clapton auch ein Theaterstück machen? Man kann, meint das Grillo-Theater...

Früher, in der guten alten Zeit, waren Musicals ja mal Dramen, für die Songs maßgeschneidert wurden. Heute gibt es Songkonfektion von Abba, Udo Jürgens, Boney M. oder Wolle Petry, um die die Handlung geschneidert wird, die mehr oder weniger mutwillig Ohrwürmer miteinander vernäht.

„After Midnight“ am Essener Grillotheater bleibt irgendwo dazwischen. Zum einen ist es ein Sprechtheaterensemble, für das Lieder von drei Großmeistern zusammengefügt werden (Cash, Cohen, Clapton). Zum anderen macht Intendant Christian Tombeil gar keinen Hehl daraus, dass er in dem fiktiven Diner namens „After Midnight“ irgendwo im amerikanischen Kohle und Stahlrevier Stereotypen zusammenlötet zu einer fast dreistündigen Handlungsskulptur um die Lieder der drei Songwriter – die Geschichte hat Dramaturg Florian Heller zusammengestellt.

Rampensau im Rüschenhemd: Jan Pröhl als Johnny Cash (oder Staubsaugervertreter Cassius) in
Rampensau im Rüschenhemd: Jan Pröhl als Johnny Cash (oder Staubsaugervertreter Cassius) in "After Midnight" von Florian Heller; Regie: Christian Tombeil am Essener Grillotheater   © TUP Essen | Diana Küster

Zutaten also: eine Lovestory in der Silvesternacht zwischen der jungen Dinerbetreiberin (mit musicaltauglicher Stimme: Laura Kiehne), die anffangs berühmten blauen Regenmantel auftritt, dazu ihr Freund und Möchtegern-Rockstar Rick und ein Stiefvater und Sheriff (Rezo Tschchikwischwili), dem im Wortsinne hereinschneienden Handelsvertreter Cassius und einem Dichter auf der Durchreise.

Cohen ist schwärzer als Cash - was das Kostüm angeht

Claptons Stücke gehören folglich dem jungen Nachwuchstalent mit Lederhose (mit der großen Herausforderung kämpfend, eher Shouter als Sänger: Philipp Alfons Heitmann), Cashs Songs der religiös naiven Rampensau im curryfarbenen Anzug und schwarzen Rüschenhemd (Jan Pröhl) und Cohens Dichterlyrik dem noch schwärzer gewandeten Meister Leonard (Jens Winterstein).

Die Handlung: Sie eröffnet erotische Altlasten fast aller Beteiligten, ein bisschen Sex und Drogen und Theatertheorie über Rollen, Personen und Masken. Und das ergibt folglich auch Auswege in alternative Handlungsfäden. So viel Postmoderne muss schon sein, auch wenn rings ums Diner reichlich Schnee von gestern durch die Silvesternacht rieselt – und die Uhr über der Tür am Ende um fünf vor zwölf stehen bleibt.

Was bleibt am Morgen danach? Die Erinnerung an einen Handlungsskelett im oft maßgeschneiderten Musikmantel. Dessen Songs halten die Stimmung hoch und den Abend am laufen, sehr zurecht bekommt am Ende die Band (Bassist Alex Morsey, Gitarrist Bastian Ruppert, Schlagzeuger Philipp Zdebel, Tasten und Arrangements: Hajo Wiesemann) mindestens so viel Applaus wie die Akteure. Große Songs und oft auch großartigen Darbietungen – und unterm Strich ein musikalischer Spaß.

Weitere Vorstellungen: 21./28.12; 10., 18.,19., Januar, 6., 21.Februar, 0201/ 8122 200, www.theater-essen.de