Gelsenkirchen. Design oder Kunst? Das war für Anton Stankowski einerlei, „nur gut muss es sein“: Deshalb ehrt Gelsenkirchen seinen großen Sohn mit Hausnummern.

Anton Stankowski, dessen wunderbunte Hausnummern-Serie gerade in seiner Heimatstadt Gelsenkirchen mit einer kleinen Ausstellung im Kunstmuseum und einer Emaille-Edition wiederbelebt wird, war so etwas wie der Folkwang-Gedanke auf zwei Beinen, geradezu beseelt von einem durchdachten Vorwärtsdrang. Um ein Haar aber wäre der 1906 geborene Künstler, der später einmal jahrzehntelang haltbares Design entwickeln sollte wie das bis heute verwendete Logo der Deutschen Bank oder den nicht nur für notorische Baumarkt-Kunden vertrauten feuerroten Bosch-Schriftzug, Bergmann geworden, wie sein aus Ostpreußen eingewanderter Großvater und sein Vater.

Anton Stankowski (1906-1998)
Anton Stankowski (1906-1998) © Stankowski-Stiftung | Zaisser

Doch im nachkriegsgeschädigten Gelsenkirchen fand sich Anfang 1920 keine Lehrstelle für ihn unter Tage, und so absolvierte er eine Ausbildung als Anstreicher und Dekorationsmaler. Sein Lehrherr lehnte, anders als die Bürger, die sich ihre Wohnzimmer ausmalen ließen, alles Jugendstilhafte und Ornamentale ab – er wollte klare, geometrische Formen. So sägte der folgsame junge Anton bei den Eltern daheim einem Küchenschrank die Beine ab, damit er eine Kastenform bekam, und malte ihn gelb an. Er besucht zusätzliche Abend-Malkurse und Wochenendseminare, schließt sich der Wandervogelbewegung an und fotografiert in der Halterner Heide wie daheim in Gelsenkirchen mit seiner ersten Voigtländer. Aufnahmen, die heute den Fundus des Ruhrmuseums bereichern und etwa auch Eingang fanden in den jüngsten, mit „Heimat“ betitelten Band aus dessen Archivbestand fand.

Otto Dix und Max Ernst in Düsseldorf, Folkwang in Essen

Als Maler-Geselle geht Stankowski nach Düsseldorf, wird Kirchenmaler, lernt bei „Mutter Ey“ Otto Dix, Max Ernst und die Rheinischen Expressionisten kennen und nimmt weiter Malstunden, kehrt aber 1926 nach Gelsenkirchen zurück und bewirbt sich erfolgreich an der neu gegründeten Folkwang-Schule in Essen und fährt mit dem Fahrrad zum Studium. Sein Lehrer wird Max Burchatz, der Schriften des „De Stijl“-Gründers Theo van Doesburg übersetzt hatte und progressive Kunst wie die der russischen Konstruktivisten El Lissitzky und Rodtschenko in den Alltag integrieren wollte: Keine Grenzen mehr zwischen Kunst und Design, „nur gut muss es sein“, sollte die Devise von Stankowski werden.

Max Burchartz hatte für das von Folkwang-Chef Alfred Fischer entworfenen Hans-Sachs-Haus in Gelsenkirchen (das gerade erst wieder im Wettbewerb um Nordrhein-Westfalens schönstes Rathaus nominiert wurde) ein Farbleitsystem entwickelt, und Anton Stankowski war unter den Studenten, die es auf die Wand brachten.

Chef für die „visuelle Gestaltung“ der Olympischen Spiele ‘72 in München

Als er 1929 die Folkwang-Schule abgeschlossen hatte, wechselte Stankowski als Werbegrafiker nach Zürich, wo man über seine Kombinationen von Fotografie und Schrift sofort begeistert ist, aber seine hoffnungsvolle Karriere 1934 von einer Ausweisung gebremst wurde. Vier Jahre darauf gründete er in Stuttgart ein „Grafisches Atelier“, das in der Nachkriegszeit zur Legende werden sollte. 1940 wird Stankowski allerdings erst einmal zur Wehrmacht eingezogen, bis 1948 dauert seine anschließende Kriegsgefangenschaft in Russland. Drei Jahre später nimmt er die Arbeit im „Grafischen Atelier“ am Killesberg wieder auf und wird zu einem der führenden Designer der jungen Bundesrepublik.

In all der Zeit hat Anton Stan­kows­ki stets gemalt (meist abstrakt, geometrisch, farbstark), Reportagen und künstlerisch fotografiert, er setzte sich geradezu begierig mit neuen Denkströmungen wie der Kybernetik auseinander; vor den Olympischen Spielen ‘72 wird er Hauptverantwortlicher für deren „visuelle Gestaltung“.

Emaille-Hausnummern vom Kochtopf-Fabrikanten Silit

Die großen Nummern

Stankowskis Nummern-Schilder für Häuser sind 30 x 30 Zentimeter groß und im Entwurf aus 10 x 10 einfarbigen Quadraten zusammengesetzt. Neben zehn Ziffern gibt es die Kleinbuchstaben „a“ bis „d“ sowie einen neu entwickelten „bis“-Strich.

Die Nummern kosten pro Ziffer 350 Euro – bis 31. Dezember, danach 400. Bestellungen: Stadtinfo Gelsenkirchen, Ebertstr. 11 (Hans-Sachs-Haus), Tel. 0209/ 169-3969 oder touristinfo@gelsenkirchen.de

Und im Geist der Durchdringung von Kunst und Alltag gestaltet er für den schwäbischen Stahlkochtopf- und Pfannen-Hersteller Silit (dessen Logo er ebenfalls entwickelt hatte) eine Serie aus markanten Emaille-Hausnummern; die Entwürfe dazu haben sich offenbar nicht erhalten, abgebildet waren sie lediglich in zwei Prospekten. Der Gelsenkirchener Designer Uwe Gelesch hat die Serie mit Hilfe von zehn RAL-Farben für Bauhaus-Verehrer (von Verkehrs-Rot, -Grün, -Schwarz und -Weiß bis Signalblau, Hellrosa, Schwefelgelb und Kupferbraun). Im Kunstmuseum lassen sich neben Gemälden (im Stankowski-Raum) auch wunderbare zeichnerische Zahlenspiele des Künstlers bestaunen, von denen man gern mehr sehen würde. Wie seine Hausnummern als Kunst am Bau wirken, lässt sich allerdings schon draußen in Augenschein nehmen: das Museum selbst hat nun die Stankowski-Hausnummern 5 und 7, das Schauburg-Kino gegenüber hat auch schon die 6 und peu a peu soll die gesamte „Kulturmeile“ Horster Straße mit diesen Nummern ausgestattet werden.