Essen. Männlicher Machtkampf in starker Retro-Optik. Robert Eggers’ Film „Der Leuchtturm“ erzählt mehr als die Geschichte einer meerumtosten Konkurrenz.

Am ersten gemeinsamen Abend auf der kargen Insel vor der Küste von Maine widersetzt sich Ephraim Winslow standhaft seinem Vorgesetzten Thomas Wake. Der alte Leuchtturmwärter will seinen jungen Gehilfen unbedingt dazu bringen, mit ihm Schnaps zu trinken.

Doch Ephraim weigert sich. Wake gibt schließlich auf. Der junge Mann erringt in diesem ersten von vielen Machtkämpfen einen Punktsieg. Wer die Oberhand auf der Insel behält, gibt jenen Ton vor, den der US-amerikanische Filmemacher Robert Eggers in „Der Leuchtturm“ anschlägt und variiert. Es scheint so, als könnten zwei Männer, die über Wochen ganz auf sich alleingestellt sind, einander nur als Konkurrenten begegnen. Selbst in jenen seltenen Momenten, in denen sich dieses von Willem Dafoe und Robert Pattinson gespielte Duo nicht feindselig gegenübersteht, ist noch eine unterschwellige Spannung zu spüren.

„Der Leuchtturm“ mit okkulten Anklängen

In „The Witch“, Eggers’ Debüt, erwuchs der Schrecken aus einem fanatischen Glauben. Die Überzeugung der frühen amerikanischen Siedler, dass der Teufel und seine Hexen jenseits der Grenzen der kleinen Ortschaften lauern, hat eine Atmosphäre geschaffen, in der sich das Böse ohne große Widerstände festsetzen konnte.

Einige okkulte Anklänge gibt es auch in „Der Leuchtturm“. So träumt Ephraim immer wieder von einer gestrandeten Meerjungfrau, der er sich in rasender Leidenschaft hingibt. Und einmal sieht er, wie sich sein Vorgesetzter mit einem aus dem Licht des Leuchtturms kommenden Tentakelwesen vereinigt. Aber all dies sind Ausgeburten von Fieberträumen und Alkoholdelirien. Der Wahn und mit ihm der Horror stecken schon in diesen beiden auf den ersten Blick so unterschiedlichen Männerfiguren.

Film „Der Leuchtturm“ zeigt einen klassischen Generationenkonflikt

In seiner Darstellung männlicher Machtkämpfe ist Eggers’ Kammerspiel des Schreckens ungeheuer aktuell. Schließlich spiegelt sich in der Konfrontation zwischen dem alten Seebären Wake, der seine Autorität mit aller Macht demonstriert und verteidigt, und dem viel jüngeren Ephraim, der kein klares Ziel vor Augen hat und sich einfach nur durchschlagen will, ein klassischer Generationenkonflikt. „Der Leuchtturm“ spielt zwar in den 1890er-Jahren. Aber im Prinzip erzählt Eggers von den gesellschaftlichen Kämpfen, die gegenwärtig nicht nur in den Vereinigten Staaten zwischen denen ausgetragen werden, die ihren Status quo behaupten wollen, und denen, die überhaupt keinen Status haben.

Doch diese allegorische Ebene, die sich als böser Kommentar auf Donald Trumps sich in internen Kämpfen langsam zerreibendes Amerika lesen lässt, steht nie im Vordergrund. Sie schwingt mit, ohne sich dem Betrachter je gewaltsam aufzudrängen. Dafür ist die Illusion, die Robert Eggers erschafft, einfach zu perfekt. Wenn die beiden Männer zu Beginn die Insel betreten und sich auf den beschwerlichen Weg zum Leuchtturm machen, nehmen sie das Publikum mit in eine karge Welt, in der die Menschen fortwährend den Gewalten der Natur ausgesetzt sind.

Herman Melvilles Romane und Tagebücher von Leuchtturmwärtern

Die Dialoge des Films klingen wirklich wie aus dem späten 19. Jahrhundert. Dafür haben sich Robert und Koautor Max Eggers von den Romanen Herman Melvilles und von Tagebüchern realer Leuchtturmwärter inspirieren lassen. Außerdem hat der Kameramann Jarin Blaschke bei den Dreharbeiten ausschließlich Linsen aus den 1920er und 30er Jahren verwendet. Seine Schwarzbilder ähneln denen aus den Filmen Friedrich Wilhelm Murnaus auf verblüffende Weise.