Essen. Krimi-Autor Norbert Horst geht in seinem großartigen Polizeiroman „Bitterer Zorn“ dahin, „wo es weh tut“: Sein Buch ist in Dortmund angesiedelt.

Mitte 2020 will der Kriminalhauptkommissar Norbert Horst aus Bielefeld in Rente gehen, nach mehr als 45 Dienstjahren, und „vielleicht“ einen Liebesroman schreiben. Das ist sein gutes Recht und wir kennen Pensionisten, die schrägeren Beschäftigungen nachgehen. Aber bevor es soweit ist, wollen wir doch seine Kriminalromane loben, besonders den ganz neuen: „Bitterer Zorn“, und zwar in den höchsten Tönen. Denn in Norbert Horst, dem schreibenden Kommissar, hat das Ruhrgebiet einen Autor gefunden, wie es lange keinen mehr gab.

Im Rückblick auf seine Jahre bei der Polizei zählt er auf: Streifendienst, Mordkommission, Ermittlungen im Drogendezernat, der Wirtschaftskriminalität, der Ausländerkriminalität, dann Fortbildungskurse für die Kollegen über Stressbewältigung, Konfliktmanagement, schließlich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Es fehlen nur die bürokratischen „Führungsaufgaben“ auf der Karriereleiter.

„Bitterer Zorn“ am Schauplatz Dortmund

Aber all diese Bereiche finden wir in den vier „Dortmunder“ Romanen wieder, und meisterlich verknüpft jetzt eben in „Bitterer Zorn“. Der Schauplatz Dortmund (nach vier Bielefeld-Krimis) ist eine Entscheidung, dahin zu gehen, „wo es weh tut“: Nordstadt, No-go-Areas, Abbruchhäuser, Parallelgesellschaften, Straßenkriminalität, Bandenkriege, der „ganze Moloch von Duisburg-West bis Dortmund-Ost“, wie Horst sagt. Ein Gegengewicht ist sein Ermittler, der Hauptkommissar Adam, den aber nur ein besonders unangenehmer Vorgesetzter (Typus Korinthenkacker), so anspricht. Für alle sonst ist er einfach „der Steiger“.

Der „Steiger“ ist Erfahrung pur, eine Stütze des Betriebs, einer, der Verantwortung übernimmt, auf eigenes Risiko – ohne jeden Ehrgeiz, in der Hierarchie aufzusteigen. Und psychologisch sehr belastbar: ein einsamer Schalke-Fan im Dortmunder Präsidium! Aber erstaunlich sensibel, wenn es darauf ankommt, besonders bei Frauen und Kindern.

Abläufe und Einzelheiten der Polizeiarbeit

Hinzu kommt eine relativ konventionelle Erzählweise, die weithin Steigers Perspektive folgt und all die Abläufe und Einzelheiten der Polizeiarbeit, ihre Fachbegriffe und Abkürzungen, aber auch die Eigenheiten und Probleme der Kollegen ins Geschehen einbindet, ohne dass dies irgendwann „trocken“ wirkt.

Die Story wird durch den Krieg zweier Clans mit syrischem Hintergrund, gepanzerten SUVs, schweren Waffen und unterdrückten Frauen bestimmt, wobei dann (wie im richtigen Polizistenleben) allerlei Neben- und Bagatellfälle, aber auch persönliche Sorgen eingeflochten sind.

In Deutschland völlig konkurrenzlos

Ich erlaube mir zwei Urteile: Norbert Horst ist im Genre des Polizeiromans in Deutschland sachlich wie literarisch derzeit völlig konkurrenzlos. Und er hat mit „Bitterer Zorn“ ein überragendes Stück „Literatur der Arbeitswelt“ für unser Hier und Heute verfasst.

Der literarische Rang von Horst ist längst bekannt; schon 2006 erhielt er den Deutschen Krimipreis. Es ist höchste Zeit, dass man dies auch hier im Revier, das er beschreibt wie kein zweiter, endlich wahrnimmt. Da gibt es doch beispielsweise den „Literaturpreis Ruhr“, oder nicht?

Norbert Horst. Bitterer Zorn. Kriminalroman. Goldmann Verlag, 315 S., 13 €.