Essen. Der Thriller „Official Secrets“ zeichnet den Fall von 2003 um die Whistleblowerin Katharine Gun nach – mit spannenden Parallelen zur Gegenwart.
Es ist nur ein Zufall, dass Katharine Gun die per Mail übermittelte Anfrage der NSA ans GCHQ überfliegt. Die junge Frau arbeitet als Übersetzerin für die nachrichtendienstliche Abteilung, die in London mit Kryptographie, Datenübertragung und eben der Übersetzung fremdländischer Texte für die Sicherheit des Landes beschäftigt ist.
Was sie da liest, beinhaltet nicht weniger als die Absicht der Amerikaner, sechs stimmberechtigte Staaten aus dem Internationalen Sicherheitsrat gefügig zu machen für ihr Ziel: einen Krieg gegen den Irak.
Katharine, die den Aussagen von George W. Bush und Tony Blair über Massenvernichtungswaffen in Bagdad sowieso misstraut, erkennt ein Komplott gegen das Völkerrecht, gestützt auf Lügen und Intrigen auch gegenüber der eigenen Bevölkerung.
Politischer Thriller alter Schule
Kurz entschlossen kopiert sie das Schreiben, dann lässt sie es über eine Kontaktperson der Londoner Tageszeitung „The Observer“ zukommen. Dort bezweifelt man jedoch die Glaubwürdigkeit des angeblich höchst geheimen Textmaterials, bis ein Journalist in Washington die bislang diffuse Identität des Absenders enthüllen kann. Das Schreiben wird veröffentlicht – und das bringt Katharine in Gefahr.
Ein Akt außerordentlicher Zivilcourage aus dem Frühjahr 2003 liefert die reale Grundlage für einen politischen Thriller alter Schule. Der Ausgangspunkt erscheint eher klein, was sich daraus ergibt, geht nicht nur an persönliche Belastungsgrenzen heran, es stehen auch die Integrität der Regierung und die politische Zukunft des Landes auf dem Spiel. Die erste Viertelstunde gehört weitgehend Keira Knightleys Katharine allein. Zwar ist der Star zehn Jahre älter als seine Rolle, aber dank ihrer mageren Beschaffenheit und einer extrem verhuschten Körpersprache kommt sie erstaunlich glaubwürdig als Überzeugungstäterin von Mitte Zwanzig rüber.
Politthriller weitet sich zum Justizthriller
Dann springt das Geschehen hinein ins Redaktionsleben des „Observer“, und erst nach einer Stunde kommt Katharine wieder ins Spiel, diesmal in Gestalt einer nun ungleich selbstbewusster auftretenden Keira Knightley. Der Politthriller weitet sich zum Justizthriller, und jetzt kommt auch Ralph Fiennes als Top-Anwalt der politisch Verfolgten und Geächteten ins Spiel.
Der südafrikanische Regisseur Gavin Hood, dessen Johannesburger Jugenddrama „Tsotsi“ 2006 den Auslands-Oscar errang, trudelte zuletzt eher orientierungslos zwischen Superhelden- und Science Fiction-Spektakel, aber hier zeigt er sich dank engagierter Story auf sicherem Terrain. Seine Inszenierung hat auch ohne wilde Action Druck und Tempo und hält das Geschehen mit atmosphärischem Einsatz von Lichtsetzung und Musik auf einem durchgehend hohen Spannungsbogen.