Essen. Das Museum Folkwang blättert mit der abwechslungsreichen Ausstellung „Der montierte Mensch“ die Geschichte eines zwiespältigen Verhältnisses auf.

Das Museum Folkwang hat sich in letzter Zeit eher zurückgehalten, um sich dem Speziellen, der Gegenwartskunst und der Grenzgängerei zu widmen. Doch nun gibt es mal wieder eine Paukenschlag-Ausstellung: „Der montierte Mensch“ spiegelt auf höchst vielfältige Weise das höchst zwiespältige Verhältnis zwischen Mensch und Maschine mit Kunst der letzten 130 Jahre. Folkwang-Chef Peter Gorschlüter sieht in der Ausstellung auch eine „Hommage an das Ruhrgebiet“ als Herz der deutschen Industrialisierung.

Der Arzt Fritz Kahn, dessen populärwissenschaftliche Bücher in den 20-er und 30er-Jahren Millionenauflagen erlebten, versuchte die Funktionsweise des menschlichen Körpers in einer detailreichen Grafik als „Industriepalast“ zu beschreiben – und kam doch zu dem Schluss: „Der Mensch ist gegen alle Logik technischer Prinzipien zusammengesetzt. Der Mensch ist die komplizierteste Maschine“.

Von der Maschinenstürmerei zum Futurismus

Maschinenstürmerei mag mit den Weberaufständen am Anfang des Industriezeitalters gestanden haben – doch die Macht der Mechanik erwies sich als unwiderstehlich. Im Futurismus, der mit Umberto Boccionis unerbittlich voranschreitendem Menschengeist aus Bronze am Anfang der Ausstellung steht, wurden Maschinen zu Göttern, zum Maß aller menschlichen Dinge.

Doch schon kurz darauf sollten die Maschinen im Ersten Weltkrieg ihr unmenschliches, todbringendes Potenzial in ungeahntem Ausmaß entfalten, Otto Dix’ Bild „Der Krieg“ von 1914 ist ein fast entmenschtes Räderwerk. Die Kunst versucht im Dadaismus, die Maschine mit Witz und Ironie unter Kontrolle zu bringen (Duchamps „Schokoladenhäcksler“, der „Wildgewordene Spießer“ von George Grosz und John Heartfield) oder sie im Konstruktivismus (Rodtschenko, El Lissitzky) zum schöneren Nutzen der Menschheit in Dienst zu nehmen.

Kriegskritik mit Roy Lichtenstein und Richard Hamilton

Schon der Maler Fernand Léger und der Bildhauer Rudolf Belling sahen zu Beginn des 20. Jahrhunderts im maschinisierten Menschen das höchste denkbare Maß an Perfektion. Mit fortschreitender Zeit aber wächst die Skepsis, von Konrad Klap­hecks Maschinenarmee über Thomas Bayrles Mercedes-Madonna bis zur begehbaren Groß-Installation des Pop-Artisten Richard Hamilton („Man, Machine & Motion“), der Kritik seines Kollegen Roy Lichtenstein an der Kriegsindustrie und Jean Tinguelys heiteren Maschinenparodien (leider außer Betrieb).

Ein eigenes Kapitel ist der drohenden Maschinisierung von Frauenkörpern gewidmet, Maria Lassnigs Gemälde, Eva Hesses in Kettwig entstandene Zeichnungscollagen oder Kiki Kogelniks Wandinstallationen sprechen für sich (und gegen Ausbeutung). Seltsam nur, dass Tomi Ungerer hier ausgeklammert bleibt.

Fabelwesen aus Babywiegen

Abwechslungsreich und unverspannt kritisch nehmen sich die Beiträge der Gegenwartskunst zum Thema aus, die gespenstische Installation „Nine to Five“ von Josh Kline mit Körperteilen aus dem 3-D-Druker, die rotäugigen Fabelwesen, die Katja Novitskova aus elektrisch betriebenen Babywiegen gebaut hat, oder auch der bösironische Film „Happy Birthday“ von Ed Atkins. Überhaupt: Alexander Kluge hat über 15 maschinenkritische Filme zu der Ausstellung beigesteuert, und in dem nicht einmal besten betätigt sich Helge Schneider als Roboterflüsterer. Trevor Paglen schließlich ließ zwei sehr durchschnittliche Gemälde von künstlicher Intelligenz anfertigen – vor einer „Kunst 4.0“ muss Malern vorerst nicht bange sein.

So ist „Der montierte Mensch“ eine kluge, sehenswerte Ausstellung mit großen Schauwerten; die hohe Zahl der Leihgaben zeigt, wie viel und weit man als Mensch mit Maschinen reisen müsste, um auch nur annähernd so viel Anregendes zum Thema zu sehen.