Washington. Im Grunde ein langes Liebesgedicht: Bruce Springsteens Film „Western Stars“ vollendet eine Trilogie aus Autobiografie, Solo-Show und Leinwandwerk.

Am Ende, als die letzten Gäste gegangen sind und ein Besen über die hölzernen Planken fegt, sitzen Bruce Springsteen und Patti Scialfa auf den Hockern an der kleinen Bar ihrer über 100 Jahren alten Scheune auf dem riesigen Anwesen des Künstler-Paares in Colts Neck/New Jersey und tun, was einander auch nach 27 Jahren noch tüchtig zugetane Eheleute so machen nach einem erfüllten Tag. Entspanntes Parlieren, im Eichenfass gereifte Blicke des Verliebtseins austauschen, verständnisvolles Nicken.

Die intime Schlussszene von „Western Stars”, der filmischen Verewigung des im Sommer vorgestellten gleichnamigen Solo-Albums, ist nach 83 elegischen Minuten der letzte Beweis, warum es sich hier nicht nur um den besten Musik-Films des Jahres handelt. Sondern um den Abschluss einer beeindruckenden Trilogie: Erst die zwischen zwei Buchdeckel gepresste Autobiografie „Born to Run” 2016. Dann die wegen des überwältigenden Erfolges auf 14 Monate ausgedehnte Solo-Show zwischen Musik, Bekenntnis und Dönekes am New Yorker Broadway. Und ab 28. Oktober nun das in ausgewählten Kinos zu sehende Werk eines Mannes, der wie wenige auch noch mit 70 die populärmusikalische Dreifaltigkeit aus Poet, Prophet und Priester verkörpert und sich dabei globaler Wertschätzung erfreut.

Handverlesene Gäste und ein 30-köpfiges Orchester

Dabei stand am Anfang nur die Idee der Zweckdienlichkeit. Um sich eine kräftezehrende Tournee zu sparen, kam Springsteen gemeinsam mit seiner besseren Hälfte auf die Idee, die 13 gediegen vor sich hin pluckernden Songs auf „Western Stars” einmalig live aufzuführen und dabei die Kamera surren zu lassen. Was im Frühjahr in eben jener kathedralenhaft schönen Scheune, in der angelegentlich auch Hochzeiten und Geburtstage begangen werden, vor handverlesenen Gästen und mit prächtiger Unterstützung eines 30-köpfigen Orchesters auch geschah.

Aber Springsteen, der schon als Teenager in seiner Heimatstadt Freehold nebenan zum exzessiven Kino-Gänger wurde und ein Fan des großen John Ford ist, wollte keine konventionelle Nummer-Revue aus seinem Album machen, das ausgemusterten Stuntmen, einsamen Countrysängern und unverbesserlichen Herzeleidern ein Denkmal setzt.

Lebensbeichte, breitwandtauglich

Und so wurde mit Hilfe seines kreativen Partners Thom Zimny aus einer kleinen Idee ein autobiografisches Meisterwerk, eine breitwandtaugliche Ode an die grandiosen Naturschauspiele Amerikas und eine faszinierende Lebensbeichte obendrein. Vor jedem Song spricht Springsteen, mal auf einem sandigen Feldweg hinterm Steuer eines alten El Camino, mal in Marlboro-Man-Outfit auf dem Pferd in der Kulisse des Joshua-Tree-Nationalparks in Kalifornien, passend zum Lied ein kleines Intro. Darunter sind kleine, unaufdringliche Lebensweisheiten wie „Je älter du wirst, desto schwerer werden die mitgeschleppten Altlasten, mit denen du dich noch nicht auseinandergesetzt hast.”

Darunter sind aber auch sentimentale Rückblicke in Super-8 auf die eigene Beziehungs-Historie und handfeste Geständnisse über das Scheitern als Mann und Ehepartner. So erzählt Springsteen, dass er Jahrzehnte damit zu gebracht hat, „meine destruktive Seite” zu überwinden und erst nach langer Arbeit an sich die Segnungen und die Stabilität des Familienlebens genießen konnte.

Ein kleiner, großer Film mit Gefühlsrodeo

„Wenn ich Dich geliebt habe”, diagnostiziert der Rockstar sein früheres Ich, „habe ich versucht, Dich zu verletzten.” Springsteen, der selber Regie geführt und den Schnitt beaufsichtigt hat, löst die kleine Beklemmung natürlich auf. Am Ende singt er „Moonlight Motel”. In Kussweite zu seiner Patti. Gefühlsrodeo. Gänsehaut. Ein kleiner, großer Film. Im Grunde ein Liebesgedicht.

Zumeist nur heute (20 Uhr) in Kinos in Bochum (UCI, Union), Essen (Cinemaxx), Oberhausen (CineStar), Duisburg (UCI) und Düsseldorf (UCI, auch 17 Uhr)