Düsseldorf. „Samson et Dalila“: die selten gespielte Oper ist jetzt in Düsseldorf zu sehen. Doch die haarsträubende Story steht einem starken Abend im Weg.
Von der machtvollen Wirkung üppigen männlichen Haupthaars zeugen in Düsseldorf die Transplantationspraxen auf der Königsallee nicht länger allein. Nur einen Steinwurf weiter, Heinrich-Heine-Allee 16a, zeigt sich seit Samstag der Mythos zum Markt: Samson.
Die Deutsche Oper am Rhein – man kann es bei dieser Repertoire-Titanin kaum glauben – führt Camille Saint-Saëns’ Oper „Samson et Dalila“ erstmals auf. Es ist leider kein großer Abend. Will man es Joan Anton Rechi ankreiden, dessen Regie-Arbeiten dem Haus fabelhaft Leichtes („Csárdásfürstin“) schenkte, aber auch eine mutig an den atomverseuchten Ufern Nagasakis siedelnde „Butterfly“? Nein, wir haben es in diesem der Bibel entlehnten Schinken des 19. Jahrhunderts, dessen Story selbst die große Dalila-Interpretin Christa Ludwig „Schmarren“ genannt hat, wohl eher mit einer unrettbaren Schönheit zu tun.
Oper am Rhein: Mit „Samson et Dalila“ steht jetzt eine selten aufgeführte Oper Camille Saint-Saëns auf dem Spielplan
Wie auch retten? Samson, der Sagenumwobene, soll das Volk der Hebräer von der Knute der Philister befreien. Ausgerechnet Gaza (!) ist ein Schauplatz der Entscheidung. Da sind wir erst einmal dankbar, dass Rechi die geopolitische Steilvorlage nicht für plumpes Tagesschau-Theater nutzt. Indes: Seine Alternativen sind bedauernswert matt.
Rechi spielt im wundergesättigten Drama die Karte der Kapitalismuskritik. Doch zinkt er sie so plump, dass der Effekt (die Philister sind Businessmen, man schmiert und wird geschmiert, dritte ersticken an Scheinbündeln) noch schneller ermüdet als die Leerstellen der Musik. Deren zirzensisch verzuckerten Orient posaunen Düsseldorfs Symphoniker zwar deftig bis überrumpelnd heraus, unter Leitung von Axel Kober gerät der Abend dennoch nicht dauerhaft zum flammenden Plädoyer dieser in die Jahre gekommenen Klangkulissenmalerei.
Stimmlich überragend ist Ramona Zaharia als Dalila, doch die Inszenierung der Rheinoper zeigt sie, einfallslos, als Bordell-Chefin
Auch dem Titelhelden scheint sie fremd: Michael Weinius hat als Samson Mühe, die heroische Härte, die seinen Wagner-Auftritten Schlagkraft verleiht, zugunsten des französische Vokal-Idioms stilsicher abzulegen. Die Inszenierung hilft ihm nicht: Mercé Paloma (Kostüme) staffiert den beleibten Tenor wie einen Anverwandten der Ludolfs aus, sein Prachthaar ist ein Pferdeschwänzchen vom Malocher-Friseur. Ramona Zaharia, die ihm als Dalila Haar und Kraft raubt, kostet die verschwenderisch flutende Sinnlichkeit ihres Mezzosoprans klugerweise nur stimmlich aus. Die Inszenierung führt die Teufelin wenig differenziert ein: Ozelot und Kunstnerz, eine Bordell-Diva von der Wolga.
So sehr der Abend nach Übertragungen sucht (die spießigen Philister feiern samt Gemeindesaal-Orgel eine Art Abendmahl bis zur zuckenden Ekstase), so oft misslingen sie. Das Publikum nahm die Sache irgendwie hin, würdigte vor allem neben der überragenden Frau Zaharia sehr respektable Leistungen von Chor, einem sadistisch agierenden Oberpriester (Simon Neal), und jenem alten Hebräer, den Sami Luttinen ungeachtet seiner blöden Warnweste schöne Bass-Noblesse schenkte. Ansonsten verzog man sich im nicht ausverkauften Haus nach zweieinhalb Stunden auffallend rasch.
Nächste Termine: 23., 26. Oktober. 1., 6., 9., 16., 24., 27. November. In der nächsten Saison auch in Duisburg.