Düsseldorf. Der norwegische Autor Karl Ove Knausgård hat Bilder des Malers Edvard Munch zusammengestellt – und die Kunstsammlung NRW zeigt nun das Ergebnis.

Am Anfang stand eine Enttäuschung: Nicht das Wort, das Bild lockte Karl Ove Knausgård. Dabei hatte das Munch-Museum in Oslo doch gehofft, der Schriftsteller würde sich beim vereinbarten Gang durch die Tiefen der Archive den vielen Texten von Edvard Munch widmen. Stattdessen machte es sich Knausgård als Kurator zur Aufgabe, nicht nur die Bilder neu zu entdecken, sondern neue Bilder zu entdecken – und aus den tausend Gemälden und Zeichnungen des Osloer Archivs bislang Ungezeigtes zu gruppieren. So habe er zu einem „frischem Blick auf die Moderne“ gefunden, urteilt Susanne Gaensheimer, was die Chefin der Kunstsammlung NRW bewog, die aus 140 Werken bestehende Schau nach Düsseldorf zu holen.

Eine Rolle mag auch gespielt haben, dass Knausgård der prominenteste unter den vielen Schriftstellern ist, die in diesem Jahr Norwegen als Gastland der Frankfurter Buchmesse repräsentieren. Eine halbe Million mal haben sich die sechs Bände seines autobiografischen Mammutwerks „Min Kamp“ allein in Deutschland verkauft. Und so, wie er dort vor seinen vielen Lesern sein Innenleben zeigt, sprach er vor der Ausstellungseröffnung in Düsseldorf über das Innenleben des Malers Edvard Munch, über Einsamkeit, Angst und Sehnsucht – im Pulk der Journalisten, der Kameras und Mikrofone: „Munch ist so ikonisch, wir sehen seine Werke gar nicht mehr richtig, sehen nicht, worum es ihm wirklich geht“.

Der ikonische „Schrei“ ist präsent in vielen Skizzen

In die einzelnen Räume hat er deshalb Werke gehängt, teils nicht nur neben-, sondern auch übereinander, die sich wesentlichen Themen nähern: „Licht und Landschaft“ zeigt immer wieder Menschen, die in ihrer Umgebung aufzugehen, zu verschwinden scheinen. In breiten Pinselstrichen hat Munch etwa „Badende Männer auf Klippen“ (1915) gebannt, ihre hellen Körper verschmelzen mit den Felsen. Etwas beliebig wirkt der grüne Raum voller Wald-Bilder, 30 Stück an der Zahl, eine Baumschule des Sehens. Umso spannungsgeladener die Gegensätze von „Chaos und Kraft“: Der ikonische „Schrei“ ist präsent in vielen Skizzen, in den Gesichtern angedeutet, aber noch unscharf.

Als eines seiner Lieblingswerke zeigt Knausgård den Holzschnitt „Zum Walde I“ von 1897: Ein Paar geht gebeugt, eng umschlungen, auf den Waldrand zu, die fließenden Linien heben sich nur gerade so eben ab vom Schwarz ringsum – Sinnbild einer behüteten Beziehung (die Munch ja nie hatte). „Im ersten Teil seines Lebens hat er ins eigene Innere geschaut, im zweiten Teil auf die Außenwelt“, sagt Knausgård, auf die Blumen, Bäume seines Gartens. „Dieser Übergang ist interessant.“

Meisterwerke schlummern nicht in den Archive

Entdeckenswertes gibt es zuhauf in dieser Schau, wenngleich, wie Knausgård richtig bemerkt, die Meisterwerke ja zu Recht Meisterwerke sind – und das, was in den Archiven schlummert, nicht dazu zählt. Die Porträtgalerie am Ende („Die Anderen“) wird interessant vor allem durch den einleitenden Knausgård-Satz: „Wir leben im Gesicht des anderen, nicht in unserem eigenen, das sehen wir nicht.“

Wer mehr solcher Sätze lesen möchte, dem sei Knausgårds soeben erschienenes Buch über Edvard Munch empfohlen, „So viel Sehnsucht auf kleiner Fläche“ (Luchterhand): Kunst und Leben spürt der Schriftsteller hier nach, beginnend mit den eigenen Tränen, die dem damals jungen Mann beim Anblick von Munchs Thüringer Schneelandschaft im Museum in Bergen kamen. Im Wunsch, das Eigene zu zeigen, sind sich Maler und Schriftsteller sehr nah – und in ihrer Einsamkeit (bei allem Rummel) wohl auch.

Edvard Munch, gesehen von Karl Ove Knausgård. Kunstsammlung NRW, Grabbeplatz 5. Bis 1.3.2020. Di-Fr 10-18 Uhr, Sa-So ab 11 Uhr. Karten: 12, erm. 10 Euro. Am 24. November ist Knausgård zum Künstlergespräch zu Gast. www.kunstsammlung.de