Essen. Wenn alle Stricke reißen: Büchnerpreisträgerin Terézia Mora beendet mit „Auf dem Seil“ ihre Trilogie um den Netzwerkspezialisten Darius Kopp.
Er könnte, denkt Darius Kopp irgendwo auf dem Weg zwischen Catania und Kreuzberg, ja auch auf einem Seil übernachten, das würde reichen für ihn. Nur für Lore reicht es nicht, seine noch nicht einmal 18-jährige, schwangere und daran bis zum Erbrechen erkrankte Nichte. Wie sie ihn gefunden hat, den zum Pizzabäcker gewandelten IT-Fachmann, den völlig haltlos trudelnden Witwer, der mit einer Urne durch halb Europa reist, um Floras Asche am Ätna zu verstreuen – das ist eine Geschichte über ein Netz familiärer Bande, dem sich auch ein Netzwerkspezialist nicht entziehen kann.
Terézia Mora hat den Deutschen Buchpreis und den Büchnerpreis erhalten
So kommt es, dass er mit Lore und seinem Pizzakollegen Metin (genannt Matteo) heimkehrt nach Berlin, um die Scherben seines Lebens aufzuklauben: Wohnung gepfändet, Bankschließfach erloschen, immerhin ein paar Euro gibt es auf dem Girokonto und den guten, alten Rolf, bei dem sie wohnen können.
„Auf dem Seil“ steht für sich, benötigt nicht zwingend eine Vorgeschichte – hat aber eine. Darius Kopp war „Der einzige Mann auf dem Kontinent“ im Wirrwarr der schönen, neuen Digitalwelt. Er war der Trauernde, der seine Frau an „Das Ungeheuer“ verlor, eine psychische Störung, die sie in den Selbstmord trieb. Terézia Mora, die auf ihrem Weg mit Darius Kopp den Deutschen Buchpreis und den Büchnerpreis erhielt, lässt in ihrer Prosa das Außen und Innen verschwimmen, springt teils satzweise in Kopps inneren Monolog. Das reale Außen aber ist exakt die kalte, dreckige, verwirrende Welt, die wir kennen, und so entsteht die Gewissheit: Dieser hampelnde Seiltänzer, das könnten wir sein, und die Fußspitze weist schon Richtung Abgrund. Was, wenn alle Stricke reißen? Am Ende ist zwar nicht alles gut für Kopp, aber doch etwas besser: „Ich habe“, stellt er fest, „keine Angst.“
Terézia Mora: Auf dem Seil. Luchterhand, 368 S., 24 €