Von Prey bis Jonas Kaufmann: Helmut Deutsch ist als Liedbegleiter eine Legende. Ein Gespräch vor seiner Konzertsaison in Essens Philharmonie.

Begleiter mit Führungsqualitäten: Helmut Deutsch (73) ist seit nahezu einem halben Jahrhundert die erste Adresse am Flügel, wenn es ums Kunstlied geht. Den Mann, der von Hermann Prey bis Jonas Kaufmann mit allen Großen konzertierte, ehrt Essens Philharmonie mit einem „Künstlerporträt“. Lars von der Gönna sprach mit Deutsch über Totgesagte, große Oper – und Elvis.

Stichwort „Künstlerporträt“. Wen würden Sie selbst zeichnen in einem Porträt von Helmut Deutsch?

Deutsch (lacht): einen nicht mehr jungen Mann, der immer noch sehr viel Feuer hat. Und einen, der sehr romantisch und leidenschaftlich spürt und denkt – und ein bisschen rückwärts gewandt ist.

Das passt zum Kunstlied...

Sicher: Mit dem was ich tue, lebe ich in erster Linie im 19. Jahrhundert. In dem Sinne bin ich ein altmodischer, den schönen, guten, romantischen Werten vertrauter Mensch, der mit manchen Dingen der Gegenwart nicht viel anfangen kann.

Viele Jüngere haben keinen Zugang zum Lied der Romantik, wo zarte Blümelein brechen und das Herzeleid sich ergießt. Trotzdem glauben Sie an das Genre...

Das Totsagen hat ja eine mehr als hundertjährige Geschichte. Nach den Schrecken des Zweiten Weltkrieges hielten Menschen es gar für unmöglich, weiter das Kunstlied zu pflegen. Das Gegenteil ist eingetroffen: Es kam mit Fischer-Dieskau, Prey, Schwarzkopf et cetera die Hochblüte des Liedgesangs – vielleicht als Gegenbewegung zu dieser Hoffnungslosigkeit. Und bei Sängern und Pianisten heute erlebe ich als Dozent ein ganz großes Interesse. Die Themen hinter den Liedern sind ja zeitlos: Liebe, Einsamkeit, Sehnsucht, Trauer. Geändert hat sich nur unsere Ausdrucksform.

Ein Flügel, ein Pianist, ein Sänger: Was bedeutet diese Reduktion?

Man steht quasi nackt auf der Bühne. Oper, das ist ja mitunter wie Breitwand-Spektakel mit Bühnenbild, Kostüm, Licht, vielen Partnern, Chor… Aber an einem Liederabend zählt jeder Moment, man ist für sich allein, es ist ein Gespräch mit dem Publikum.

Sind nicht auch die musikalischen Anforderungen ganz andere?

Unbedingt. Es gibt um viel feinere stimmliche Nuancen, ein viel differenziertes dynamisches Spektrum, wenn man nicht erst den Orchestergraben überwinden muss. Da kann ein guter Sänger dem Publikum unendlich viel seiner Kunst zeigen. Viele gute Sänger sind in Liederabenden ganz anders als in der Oper.

Als Sie anfingen, war der Pianist „nur“ Begleiter. Heute ist Helmut Deutsch eine Institution. Habe Jüngere Sänger Respekt vor Ihnen?

Sagen wir es mal so: Wenn heute ein junger Sänger sagt „Das ist eine so große Ehre!“, dann muss ich wirklich lachen. Ich entgegne dann: „Es wäre mir lieber, wenn Sie sagten ,Es ist mir eine große Freude!’“

Man kann es kaum glauben: Als Teenager schmuggelten Sie Platten von Elvis ins Elternhaus. Wie sehen Sie diese Stimme heute?

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Ein Klassiker ist er auf seine Weise auch. Einfach eine schöne Stimme! Wenn man das heute hört, wie Elvis „Love me tender“ singt: Mit der richtigen Ausbildung hätte er vielleicht klassische Lieder singen können.

Diese warme Bronze, tolles Material...

Genau. Und ich war ganz glücklich, dass im anspruchsvollen Riemann-Musiklexikon unter „Elvis Presley“ steht: „amerikanischer Bariton“.

MEISTERKLASSE UND OPERNSTARS

Mit Opernstars wird Helmut Deutsch sein Porträt in Essens Philharmonie gestalten: Camilla Nylund, Michael Volle und Piotr Beczala. Den Anfang macht am 3. Oktober, 19h, Violeta Urmanas Schubert-Programm „Waldesnacht“ . Karten: 28€.

Eintritt frei heißt es bei Helmut Deutschs Meisterkursen. Sie sind am 4. Oktober (12-18h) im Kammermusiksaal der Folkwangschule und am 21. März (10-16h) in der Philharmonie.