Essen. Frischs „Biedermann“ mit klarer Schlagrichtung: In Essen gilt die Parabel der Gefahr von Rechts. Das Premierenpublikum feiert die Inszenierung.

Max Frischs „Biedermann und die Brandstifter“ haben schon so manche Lunte politischer Machterschleicher ins Theater getragen. Wer Biedermann keinen konkreten Gegner gibt, läuft deshalb Gefahr, nur irgendeinen gutgläubigen Allerwelts-Opportunisten auf die Bühne zu stellen. Moritz Peters lässt in seiner klar adressierten Inszenierung der Frisch-Parabel im Essener Grillo-Theater keinen Zweifel daran, wer die Brandstifter sind.

Mit dumpfen Parolen, NSU-Täterfotos und ausländerfeindlicher Hetze aus dem Internet deutet Peters die zeitlose Parabel als Stück der Stunde. Gutgläubige Ignoranz, falsch verstanden als Toleranz, ergibt zweistellige AfD-Wahlergebnisse, lautet hier die mahnende Gleichung. So hoch nach oben wie die Prozentzahlen führt auch das Bühnenbild. Nehle Balkhausen hat eine halsbrecherisch anmutende, steil aufsteigende Treppenlandschaft gebaut, auf deren Empore die obdachlosen Ganoven Schmitz und Eisenring alsbald schon ihre Benzinvorräte stapeln.

Max Frischs „Biedermann und die Brandstifter“ feierte im Grillo-Theater Essen Premiere

Explosiv ist auch das Bilderszenario, das Peters im Hintergrund abspult (Videografie: Moritz Ermert). Videofilme von rechten Aufmärschen, der mutmaßliche Lübcke-Mörder Stephan E. in Großaufnahme und Gaulands Zitat vom Vogelschiss der Geschichte gerinnen da zu einem Panorama politischer Bedrohung. Die von Philipp Noack und Jan Pröhl zwischen famoser Chuzpe und fieser Verschlagenheit verkörperten Brandstifter Schmitz und Eisenring lassen keinen Zweifel daran, dass ihre Dachboden-Besetzung kein schlechter Witz ist.

Dem exzellent aufgelegten Ensemble gelingt beides: die irrwitzige Komödie und die bittere Groteske. Ines Krug, Thomas Büchel und Sven Seeburg spielen in ihren grauen Einheitsanzügen Dienstmädchen, Polizisten und den Chor, der hier ganz ohne Feuerwehrleute auskommt. Sabine Osthoffs Biedermann-Frau vibriert als Ahnende unter Hochspannungs-Demut.

Moritz Peters hat den Text mit Zitaten aus dem rechten Lager erweitert. Die offensive Zuspitzung betont freilich die holzschnittartige Struktur des Stücks. So wird aus Stefan Migges pseudoidealistischem Fabrikanten Gottlieb umstandslos ein Wendehals, der am Ende lieber noch das Zündholz reicht: „Man muss auch Vertrauen haben.“Wenn das Ehepaar Biedermann schon ascheregenbesudelt in der Hölle steht, gibt Peters vor der Großaufnahme des Mittelmeeres voller schwimmender Rettungswesten am Ende noch Sartre das Wort. Wer die Freiheit hat, habe eben auch die Verantwortung. Langer Applaus.