Düsseldorf. Düsseldorfs Schauspielhaus eröffnet, wie 1970 bei der Einweihung, mit „Dantons Tod“. Dem genialen Bühnenbild steht eine laute Inszenierung im Weg

Auf Düsseldorf ist irgendwie Verlass: Das Schauspielhaus war am vergangenen Wochenende immer noch eine Baustelle, aber Champagner gab es dort natürlich schon, für schlappe 11,90€ das Glas. Steckt man die Nase tief genug hinein, übertönt er die Gala des Unfertigen.

Die Zeugen der laufenden Sanierung am Gründgens-Platz – viel Gittergerüst und einiger Mörtelgeruch – hätten für die Eröffnungspremiere (Georg Büchner: „Dantons Tod“) das Zeug zum Bühnenbild gehabt. Doch das war ungleich opernhafter: Vorhang auf, Rübe ab! Es ist eine grauenvoll attraktive Ästhetik, die Olaf Altmanns Bühnenbild regiert. Die herabgesunkene kalte Platte in Grau, dahinter eine gerundete Rampe zu einem Himmel ohne Hoffnungslicht – und gleich zu Beginn strömt ein breiter Blutstrahl hinab. Die ganze Welt ist: eine Guillotine.

Die Nahaufnahme des riesigen Fallbeils grundiert Armin Petras Inszenierung. Wie diese Bühne dem Ausweglosen verhärteter Ideale einen Ort gibt, wie sie den Täter-Opfer-Ränken der Französischen Revolution ein glitschiges Parkett verordnet, auf dem schlussendlich jeder die Fassung verlieren muss, das kann man nur einen grandiosen, ja preisverdächtigen Coup (bestechend sind Norman Plathe-Narrs Lichteffekte!) nennen.

Grandiose Bühne, trübe Regie: In Düsseldorf scheitert „Dantons Tod“ am Theaterrevoluzzer Armin Petras

Doch steht dem Schauwert ein weitgehend trüber Abend zur Seite. Man kann sich die Sottise nicht verkneifen, Petras selbst (als Intendant in Stuttgart auf die Nase gefallen, als Regisseur und Autor „Fritz Kater“ oft erfolgsverwöhnt) präsentiert sich: einen Revoluzzer am Ende. Den ganzen alten Theateradel zum Teufel geschickt – um dann, eines Tages, 55-jährig, doch mit einem großen Dichterwort erkennen zu müssen: Sind wir am Ziel, ist es das falsche. So laut (gegrölt wird flach und viel, textunverständlich ohnehin) dieser Abend ist, so wenig spricht er zu uns. Auch, weil er bis auf wenige feine Pastelle die poetische Grund-Elegie der Vorlage ignoriert.

So viel Blut er vergießt, so anämisch showartig langweilen uns die Effekte, deren letzter ein kollektiver Tanz-Tod ist: zuckende Unmündigkeit, die einen mehr Mitleid gegenüber den Schauspielern empfinden lässt, als den Figuren, denen sie sich dreieinviertel lange Stunden vorwiegend fruchtlos genähert haben.

Peinlich: Filmeinspieler in „Dantons Tod“ wirken kitschig wie Szenen aus dem RTL-Frauenknast

Und eh’ wir es vergessen: dicke Film-Einspieler gibt es erwartungsgemäß auch. Petras setzt die Intrigenführung, die Dantons Ende einleitet, in Breitwand – handwerklich wirkt es in diesen schwülstigen Streifen freilich so, als habe man Guido Knopp die Gastregie im RTL-„Frauenknast“ überlassen.

Hätte der Abend, der die Clique um Robespierre (Lieke Hoppe) ohne Gewinn von dramatischer Temperatur oder nennenswerter Erkenntnis von Frauen spielen lässt, nicht Wolfgang Michalek, er wäre verloren. Sein Danton hält die Tragödie der Weltverbesserer, deren Erlösungsgestalten zu Tyrannen wurden, mit stolzer Bühnenmagie unters Brennglas. Er allein macht sichtbar, was Büchners Text den Puls gibt – jenen Lebensekel, den uns die Erkenntnis schenkt.