Herne. Fließende Friedhöfe und eine Hightech-Isolierstation: Das LWL-Museum für Archäologie Herne widmet sich in einer Ausstellung dem „Schwarzen Tod“.
Anfang Oktober 2017 verbreitete sich die Meldung eines Pestausbruchs auf Madagaskar, der in den folgenden Wochen über 200 Menschen dahinraffte, wie ein Lauffeuer. Die „mittelalterliche“ Seuche, hieß es, sei zurückgekehrt.
Tatsächlich hat sich die Pandemie, die zwischen 1346 und 1353 geschätzte 25 Millionen Opfer forderte, als „Schwarzer Tod“ ins kollektive Gedächtnis Europas eingegraben. Doch die Pest, Inbegriff der Seuche schlechthin, ist viel älter, und „weg“ war sie nie.
Bereits vor 5000 Jahren, das ergaben neue Gen-Forschungen, hat das nach seinem Entdecker Alexandre Yersin benannte Bakterium „Yersinia pestis“ in Schweden gewütet. Nach der Zeitenwende überrollte nicht nur der „Schwarze Tod“ die Welt: Es gab drei Verbreitungswellen. Und wenngleich die Medizin längst Mittel gegen die durch Flohbisse (Beulenpest) oder Tröpfcheninfektion (Lungenpest) übertragbare Krankheit entwickelt hat, ist die jüngste, 1894 in Hongkong ausgebrochene Pandemie bis heute keineswegs beendet.
„Hotspots“ sind Madagaskar und die Mongolei
Ungläubig steht der Besucher im Landesmuseum für Archäologie vor einer Weltkarte, auf der die betroffenen Regionen markiert sind. Nicht nur der „Hotspot“ Madagaskar und die Mongolei sind da ausgewiesen oder große Teile Zentralafrikas. Auch der Westen und Südens der USA sind seit 1894 betroffen. „Yersinia pestis“ findet sich im Blut von Nagetieren wie Erdmännchen, Rennmäusen, Ratten, Murmeltieren. Flöhe nehmen das Blut auf; stirbt der Wirt, sucht sich der Floh eine neue Nahrungsquelle – und infiziert den Menschen.
In der umfassendsten jemals der „Pest“ gewidmeten Ausstellung folgt der Besucher der Seuche quer durch alle Epochen der Menschheitsgeschichte. Die ältesten Exponate sind jungsteinzeitliche Werkzeuge aus einem Grab bei Augsburg, dessen Tote nachweislich mit der Pest infiziert waren. Babylonische Tontafeln der Bronzezeit, altägyptische Schriften berichten von der Plage, und dass das Hethiterreich seinen Untergang nicht primär Feinden, sondern der Seuche zu verdanken hat, ist jedenfalls eine Theorie.
Massengräber wurden eingerichtet
In der didaktisch exzellent aufbereiteten Schau geht es vor allem um die Menschen in ihrer Zeit, um die sozialen und psychischen Auswirkungen, aber auch um die Suche nach den „Schuldigen“. Schatzfunde, die eindeutig jüdischen Besitzern zugeordnet werden können, zeugen von frühen Pogromen. Immer wieder begegnet man heute grotesk anmutenden Versuchen, die Krankheit medizinisch (im Zweifel auch magisch) zu bekämpfen. Die Zahl der Toten überforderte damals die Hinterbliebenen, Massengräber wurden eingerichtet.
Wie reagierten Kirche und Klerus? Die Geißler-Tradition kam auf, Pestmessen wurden eingeführt. Eine Flasche mit Rhone-Wasser steht für die (unbewiesene) Behauptung, der Papst habe im 14. Jahrhundert den Fluss gesegnet und so zum „fließenden Friedhof“ ernannt.
Mobile Hightech-Isolierstation der Essener Feuerwehr
Auf dem Weg zu einer mobilen Hightech-Isolierstation der Essener Feuerwehr, mit der die Ausstellung schließt, passiert der Besucher übrigens einen unscheinbaren Albanischen Fez. 1649 entdeckte der venezianische Geheimdienst das Potential der Pest: Die Kopfbedeckungen sollten mit dem Eiter der Beulen getränkt und unter den Feinden verteilt werden. Ob die Bio-Waffe aber tatsächlich eingesetzt wurde, ist unklar.