Sheryl Crow (57) legt mit „Threads“ ihr letztes Studio-Album vor und spricht darüber: 17 Duette mit Stars von Eric Clapton bis Stevie Nicks.
Ihre ewigfrischen, auch schon 25 Jahre alten Gitarrenpoprockhits wie „All I Wanna Do“ oder „If It Makes You Happy“ kennt fast jeder, nun aber läutet Sheryl Crow den Rückzug ein. Ihr elftes Album „Threads“ („Fäden“), das am 30. August erscheint, soll auch ihr letztes sein. Und sie haut wirklich noch mal alles raus. Zu den Gästen auf „Threads“ zählen unter anderem Bonnie Raitt, Eric Clapton, Keith Richards, Stevie Nicks, Chuck D, James Taylor, Willie Nelson, ein postumer Johnny Cash (im Duett „Redemption Day“), aber auch junge Sängerinnen wie Country-Prinzessin Maren Morris oder Indie-Star St. Vincent, die mit Crow ein cooles Anti-Trump-Statement loslässt.
Sheryl, warum wollen Sie aufhören?
Sheryl Crow Für mich schließt sich mit dieser Platte der Kreis. Ich habe 17 Songs aufgenommen, es sind Duette mit vielen meiner allergrößten Idole wie Eric Clapton, Keith Richards und Stevie Nicks. Besser wird es nicht mehr. Als künstlerisches Statement kann ich dieses Werk nicht mehr übertreffen. So viele Momente auf „Threads“ bringen mich an den Ort zurück, an dem ich jung war und davon träumte, das zu tun, was ich seit mehr als 25 Jahren tue. Ich bin randvoll mit Stolz und Dankbarkeit angesichts meiner langen, fantastischen Karriere. Und ich werde nicht komplett aufhören, Musik zu machen.
Wie entstand die Idee zu dem Duette-Album?
Ich wäre wahrscheinlich nie auf den Gedanken gekommen, hätte ich mich nicht vor einigen Jahren mit Kris Kristofferson zu gemeinsamen Aufnahmen getroffen, aus denen der Song „Border Lord“ entstand, der auch auf dem Album ist. Kris ist über 80, und ich merkte ihm an, dass er gesundheitlich zu kämpften hatte. Ihn so zu sehen, hat mich etwas melancholisch gestimmt. Ich dachte, dass ich so gern noch mal mit meinen Helden zusammen singen wollte. Viele von ihnen sind nun einmal in den Siebzigern. Wir alle haben nicht mehr ewig Zeit. Also nahm ich mich der Sache an und startete ein paar Rundrufe.
Haben Sie alle Künstler in Ihr Heimstudio nach Nashville eingeladen?
Wir haben einiges bei mir aufgenommen. Ich bin aber auch viel gereist, und es gab auch fruchtbare Kollaborationen übers Internet. Von der Idee bis zur Vollendung hat das Album ungefähr dreieinhalb Jahre gebraucht.
Internet ist ein Stichwort. Wird es in zehn Jahren überhaupt noch Musikalben geben?
Ich weiß es wirklich nicht. Realistisch betrachtet ist es so, dass sich nur noch eine Minderheit von Menschen wirklich hinsetzt und ein komplettes Album hört. Auf der anderen Seite: Die Kids finden es wieder cool, Vinylalben zu kaufen und zu sammeln, das stimmt mich vorsichtig zuversichtlich. Es wäre schade, wenn diese Kunstform verschwindet. Zu vielen der Alben, die ich als Teenager kaufte, habe ich bis heute eine sehr enge Verbindung.
Ihre Adoptiv-Söhne Wyatt und Levi sind 12 und 9 Jahre alt. Was haben die so für Interessen?
Mein Älterer spielt Gitarre und ist fest entschlossen, Musiker zu werden. Der Jüngere will unter allem Umständen Eishockeyspieler werden. Gerade sind sie eine Woche lang im Sommercamp, das ist die längste Zeit, die ich je von ihnen getrennt bin. Ich muss gestehen, ich bin ein bisschen nervös. Mal schauen, mit welchen neuen Hobbys sie zurückkommen.
Begleiten die beiden Sie auf Tournee?
Kommt drauf an. Jetzt im Sommer waren wir in Europa und haben tolle Konzerte gespielt, mit Phil Collins und den Eagles. Da waren sie dabei, und wir haben wirklich schöne Sachen zusammen gemacht. Wir haben uns zum Beispiel Stonehenge angeschaut, römische Bäder und sind mit Fahrrädern durch halb Schweden gefahren.
Man sieht es Ihnen nicht an, aber Sie sind 57. Was wird mit dem Alter besser?
Der Druck lässt nach. Ich fühle mich heute viel freier und gelöster als in den Neunzigern. Ich bin inzwischen weit davon entfernt, mit den jungen Popstars zu konkurrieren. Ich bin entspannt und genieße es, auf der Bühne und im Studio Musik mit meinen Freunden zu machen.
Sie waren Lehrerin, bevor Sie 1993 mit Ihrem Debütalbum „Tuesday Night Music Club“ erfolgreich wurden. Was möchten Sie jungen Menschen mit auf den Weg geben?
Haltet euch fern von Social Media! Diese Angebote verursachen und verstärken Ängste, Unsicherheiten und Depressionen, speziell bei Jugendlichen. Unterhaltet euch lieber und geht nach draußen.
Sie haben kürzlich beim Glastonbury-Festival Ihren Song „Soak Up The Sun“ der jungen Klimaaktivistin Greta Thunberg gewidmet.
Ja, ich bewundere sie. Greta ist ein großartiges Beispiel für meine Jungs und überhaupt für alle. Sie ist der Beweis, dass es etwas bringt, wenn man aufsteht, mutig ist und sich nicht einfach fügt.
Sie haben Donald Trump immer schon sehr kritisch gesehen. Wie beurteilen Sie die ersten zweieinhalb Jahre seiner Präsidentschaft?
Es ist schlimmer als befürchtet. Er hat nichts für Menschen getan, er hat die ganze Zeit gelogen und alle verarscht. Ich bin gespannt, was passiert, wenn seine Anhänger aufwachen und merken, dass er nichts von den eingelöst hat, was er ihnen vollmundig versprach.
Ist „Wouldn’t Want To Be Like You“ von seinem Gebaren inspiriert?
Schon, ja. Das Lied weist auf die Lächerlichkeit hin, dass wirklich viele Leute aus seinem Umfeld inzwischen wegen Lügens und Betrügens im Knast sitzen. Der Anstand verschwindet mehr und mehr aus unserem Land. Zugleich ist der Song auch ein bisschen lustig. So einem ernsten Thema kommt man mit Zynismus und Witz noch am ehesten bei.
Welche Geschichte steckt hinter „Story Of Everything“, bei dem Sie von Chuck D, Andra Day und Gary Clark Jr. unterstützt werden?
Das Stück ist inspiriert von dem, was aktuell in Amerika geschieht. Die Disparität zwischen Wohlstand und Armut ist mittlerweile so extrem, dass man wirklich von zwei verschiedenen Welten sprechen muss. Und natürlich werden die politischen Entscheidungen von den Menschen getroffen, die Geld haben. Das ist alles so desillusionierend. Dazu kommt der Elefant im Raum, über den aufgrund von Trumps spaltender Rhetorik endlich offen geredet wird: Rassismus. Es hat ihn immer gegeben, aber nun liegt er offen da, für alle unmittelbar zu erkennen. Meine Hoffnung ist, dass wir uns als Gesellschaft jetzt endlich um diese Wunde kümmern. Wir können jedenfalls nicht mehr so tun, als existiere das Problem nicht.
Ihr neuer Song „Prove You Wrong“ ist nicht nur ein Trio-Stück mit Stevie Nicks und Maren Morris, sondern auch eine Starke-Frauen-Hymne. Wie steht es um den Feminismus im Jahr 2019?
Wow, es geht massiv voran. Ich liebe die amerikanischen Fußballfrauen dafür, wie hartnäckig sie für gleiche Bezahlung kämpfen. Niemand darf aufgrund seines Geschlechts benachteiligt werden. Und #MeToo ist ein echter Meilenstein. Es ist überfällig, dass niemand mehr damit durchkommt, jemand anderen sexuell zu bedrängen oder zu herabwürdigen. Ganz egal, ob diese Machtspielchen oder Übergriffe am Arbeitsplatz, wo auch ich es erlebt habe, oder wo auch immer stattfinden. Hier geht es nicht nur um Gewalt und Sexismus, sondern noch viel weiter gefasst um Empathie und Mitmenschlichkeit.
Sie waren an Brustkrebs erkrankt und mit Lance Armstrong verlobt. Wie haben Ihre Krisen und Tiefschläge die Art und Weise geformt, in der Sie heute auf das Leben blicken?
Meine Philosophie ist, dass jeder Mensch Erfahrungen macht, bei denen er echt mit sich und seinem Innersten konfrontiert wird. Erlebnisse, denen du dich stellen musst, vor denen du dich nicht wegducken kannst. Ich hatte definitiv meinen Anteil. Ich will das alles nicht noch einmal durchmachen, aber ich will auch nichts ändern oder ungeschehen machen. Ich lebe mit zwei wunderbaren Kindern auf einer Farm in Nashville, gesundheitlich geht es mir gut. Mein Leben ist voll mit Freude und tiefem, echten Glück.