Essen. Im neuen Buch des australischen Krimi-Königs Gary Disher liegt ein Skelett unter einer Betonplatte im Vorgarten. Sergeant Alan Aul ermittelt.

Der Krimi „fällt mit der Leiche ins Haus“, schrieb einst der große alte Philosoph Ernst Bloch, Krimifan und regelmäßiger „Tatort“-Gucker. In diesem neuen Fall liegt ein Skelett allerdings unter der dicken Betonplatte in einem Vorgarten irgendwo im australischen Hinterland. Als man die Platte mühevoll beseitigt hat, kriechen aus der Grube nicht die befürchteten Giftschlangen, sondern – bildlich gesprochen – eine Schar von üblen Verbrechen, einige weit zurückliegend, andere noch bedrohlich in der Luft hängend. Mit all dem muss sich nun Sergeant Alan Aul auseinandersetzen, ein bereits ausrangierter Kriminalpolizist, den man aus Personalnot zurückgeholt hat.

Ein unverbesserlicher „Kümmerer“

Das Muster kennen wir ja von manch anderen Krimis. Mag sein, dass Autoren nicht aufhören können zu schreiben – und ihre Detektive nicht mit dem Ermitteln. Vor allem aber sind (oder fühlen sich) die Ruheständler nicht nur erfahrener, sondern, wichtiger noch, freier als zuvor und gehen ihre Fälle in souveräner Verachtung jener Regeln an, denen sie jahrzehntelang zähneknirschend gefolgt sind. Zu tun ist ja genug, zumal wenn man wie Alan noch ein kompliziertes Privatleben hat, auch weil man ein unverbesserlicher „Kümmerer“ ist.

Es gelingt ihm aber doch, das ganze Schlangennest auszuheben, wenn wir so sagen dürfen. Da geht es um Morde aus religiösem Wahn, oder aus Habgier (auch kombiniert), um mehrfachen psychopathischen Gattenmord (der Herr Doktor hat ein ganzes Arsenal von Giftspritzen), oder auch „nur“ um den Versuch, die eigene Restfamilie ins Elend zu stürzen. Zumindest dies kann Aul – auf ziemlich unkonventionelle Weise – verhindern, ehe er sich definitiv ins Privatleben zurückzieht. Oder kommt er nochmal zurück?

Die dünne Decke der Zivilisation

Sein Erfinder Garry Disher gilt mit Recht als der wichtigste Kriminalschriftsteller Australiens und als einer der besten weltweit. Er hat verschiedene Serien und einzelne Romane verfasst, auch Jugend- und Sachbücher. Aber die Krimis sind der Kern seines umfangreichen Werks. In ihnen leuchtet er subtil und souverän in alle Ecken und Winkel der australischen Gesellschaft und zeigt uns, dass „dort unten“ die Decke der Zivilisation keineswegs dicker ist als hierzulande, eher im Gegenteil. Dass wir sie seit längerer Zeit auf Deutsch lesen können, verdanken wir dem Schweizer Unionsverlag – und Disher selbst schätzt das deutschsprachige Lesepublikum besonders, wie er mehrfach betont hat.

Dieser Tage feiert er am anderen Ende der Welt seinen 70. Geburtstag. Wir gratulieren ganz herzlich, empfehlen dieses neue Buch und freuen uns auch schon auf sein nächstes.

Garry Disher: Kaltes Licht. Aus dem Englischen von Peter Torberg. Unionsverlag, 314 S., 22 Euro.