Dortmund. Kubistische Windmühlen, hingetupftes Meer: Die niederländische Moderne zeigt das Dortmunder U – und auch Kunststudenten haben hier Urlaubsgefühle.
Es gibt viele Möglichkeiten, die Hollandferien daheim zu verlängern: Poffertjes backen, lauwarmes Heineken trinken, die Füße in die Matschkuchenecke des heimischen Sandkastens stellen. Oder: das Museum Ostwall im Dortmunder U besuchen – und „Ein Gefühl von Sommer“ erleben.
Die Kunst der Nachbarn, sie bleibt selbst dem beflissensten Touristen oft eine Sache alter Meister: Rembrandt überschattet alles, zumal das Rijksmuseum in Amsterdam ihn nun so hübsch in neuem Licht präsentiert. Dabei wären auch die mittelalten Meister mehr als einen Blick wert. Wer es im Urlaub verpasst hat, das seinerzeit weltberühmte Künstlerdorf Laren in Nordholland zu besuchen, bekommt nun in Dortmund eine zweite Chance – Teile des Larener Museums machen Ferien in Westfalen, dafür reisten Werke des Dortmunder Bestands nach Holland. Das Prinzip Austausch-Schüler, nur mit Kunst.
Das „Museum Singer Laren“ gründet auf einer Sammlung: Das Ehepaar Singer – Anna Singer-Brugh und der Künstler William Henry Singer – zogen 1902 in jenes kleine Bauerndorf, das der Maler Jozef Israels gut 20 Jahre zuvor für sich und seine Künstlerfreunde der Haager Schule entdeckte. Bis in die 20er-Jahre hinein war Laren eine lebendige Künstlerkolonie, Max Liebermann kam für einige Sommer her, Piet Mondrian gar für drei Jahre.
Julien Duprés Kühe scheinen zum Anfassen nah
Letzterer entwickelte gemeinsam mit dem Niederländer Bart van der Leck jenen abstrakten Stil, der fortan untrennbar verknüpft war mit dem Namen Mondrian – nicht aber mit dem Namen van der Leck, was vielleicht ein Grundproblem der Wirkmacht niederländischer Künstler aufzeigt.
Dabei beweist die Dortmunder Schau, dass die niederländische Moderne durchaus eine ganz eigene Sicht auf gängige Kunstströmungen entwickelt hat. Unter den Impressionisten der Haager Schule – dem holländischen Himmel geschuldet auch „graue Schule“ genannt – ragt etwa Julien Dupré heraus, der unter diesen Hollandhimmel zum Anfassen nahe Kühe pflanzt, auf ihren felligen Rücken ein Lichtspiel von altmeisterlichem Format. Lou Loebers kubistische Windmühle irritiert ob des ungewohnten Sujets ebenso wie pointillistische Meerespanoramen – statt der vertrauten französischen Seerosen schauen wir der tosenden Holland-See ins getupfte Antlitz.
Frans Huysmans schuf ein fröhliches Tanzgemälde
Zugleich lässt die Schau in wandhoch vergrößerten historischen Postkarten die Welt der Seebäder und Cafés lebendig werden. Auch in Bergen traf sich die künstlerische Avantgarde, feierte in der Dorfkneipe De Rustende Jager, was Frans Huysmans zu einem fröhlichen Tanzgemälde inspirierte – selbst Künstler brauchen mal Zerstreuung!
Kunstbetrachter natürlich erst recht, weshalb in Dortmund netterweise eine kleine Minigolfbahn zum Spielen lädt: Mit der urlaubenden Gegenwart haben sich Kunst-Studierende der Dortmunder TU beschäftigt. In der Schau „&Zitronenlimonade“ lässt sich der Sommer erschnuppern (Grillduft! Sonnencreme!), in Glaskugeln betrachten (Eishörnchen! Caprisonne!) oder in collageartigen Gemälden erträumen, in denen Kühe am Pool liegen und Ferienlektüre noch die höchsten Meeresklippen überragt. Das großformatige Strandgut-Gemälde allerdings lädt eher zum Nachdenken ein darüber, was heutzutage so alles im Meer treibt (außer uns Urlaubern auf der Luftmatratze).
Wer nun immer noch nicht genug Urlaubsgefühl inhaliert hat, kann bis Ende August beim Festival „Sommer am U“ umsonst und draußen auf dem Museumsvorplatz Konzerte, Poetry Slams und DJ-Abende erleben – veranstaltet von einer Vielzahl Dortmunder Akteure.
Alle Infos: www.sommer-am-u.de, www.museumostwall.dortmund.de