Der literarische Sommerhit 2019 stammt aus der Feder von Daniela Krien. Ihr Roman „Die Liebe im Ernstfall“ ist schon 100.000 Mal verkauft worden.

Auch die Literatur hat 2019 einen Sommerhit: Daniela Kriens Roman „Die Liebe im Ernstfall“ ist jenes Buch, das von Strandliege zu Strandliege weiterempfohlen wird, das in Koffern um die Welt reist. Wochenlang stand die 43-Jährige mit ihrem zweiten Roman auf den vorderen Plätzen der Bestsellerliste – jetzt hat sie gar die Marke von 100.000 verkauften Exemplaren durchbrochen.

Krien, 1975 in Mecklenburg geboren, lebt seit 20 Jahren in Leipzig. Die studierte Kulturwissenschaftlerin arbeitete zunächst im Dokumentarfilm. Ihren Debütroman „Irgendwann werden wir uns alles erzählen“ (ein Dostojewski-Zitat) veröffentlichte 2011 der kleine Graf-Verlag. Krien erzählt darin von den Monaten zwischen Mauerfall und Wende in jener dörflichen Thüringer Landschaft, in der sie selbst lange Kindheits- und Jugendjahre verbracht hatte: Die 17-jährige Marie wohnt bei ihrem Freund Johannes auf dem Hof seiner Eltern und beginnt eine von heftigen (Gewalt-)Ausbrüchen geprägte Liebesaffäre mit dem sehr viel älteren Nachbarn Henner – eine Figur, in der sich subtil Kriegs- und Nachkriegs- und DDR-Geschichte spiegelt. Ebenso subtil lässt Krien die Hoffnungen der Wendezeit einfließen, etwa die Idee, sich als Bio-Hof in der neuen Marktwirtschaft zu behaupten. Kriens Debüt gelang nicht nur ein literarischer Achtungserfolg, das Buch wird auch von Emily Atef („3 Tage in Quiberon“) verfilmt.

Krien hat das Talent, im Einzelfall das Allgemeingültige zu sehen

Grund genug für den Diogenes-Verlag, Krien unter Vertrag zu nehmen und heftigst zu bewerben, was zumindest einen Teil der Erfolgsgeschichte erklärt. Vor allem aber Kriens Talent, im Einzelfall das Allgemeingültige zu sehen, dürfte dazu beigetragen haben, dass sich jede ihrer Leserinnen in dieser oder jener Figur finden kann. Allesamt sind dies Frauen, die in ihren Mittvierzigern äußere Erwartungen und eigene Wünsche in Balance bringen müssen, Pflichten und Bedürfnisse: Buchhändlerin Paula, die ein Kind verlor und mit Schuldfragen kämpft. Schriftstellerin Brida, die ihre Familie dem Beruf unterordnet. Ärztin Judith, die im Internet Liebe sucht. Die Schwestern Malika und Jorinde, die aus der Not ein ganz neues familiäres Lebensmodell schaffen.

Krien erzählt von jenen Momenten, in denen sich alle Illusionen auflösen – und ein klarer Blick möglich wird auf das, was ist. Während die Eltern von Malika und Jorinde, zu DDR-Zeiten rebellische Leipziger Bohéme, sich in sarkastische Protestwähler-Sprüche flüchten (erneut feinsubtile Geschichtsschreibung!), gelingen Kriens Romanfrauen auf je eigene Weise Wendemanöver: der Neustart ist das neue Happy End.

Daniela Krien: Die Liebe im Ernstfall. Diogenes, 288 Seiten, 22 Euro.