Bayreuth/Hagen. Klaus Florian Vogt gehört zu den großen Wagner-Tenören – auch in Bayreuth. Welche Verbindung er nach Hagen hat, verrät er im Interview.
Klaus Florian Vogt ist einer der herausragenden Wagner-Tenöre unserer Zeit. Mit seiner unvergleichlichen Stimme gilt der Sänger als Spezialist für die komplexen Heldenfiguren Richard Wagners. Derzeit wird er in Bayreuth in zwei großen Partien geradezu hymnisch gefeiert: als Lohengrin und als Stolzing in den Meistersingern.
Im Interview mit unserer Zeitung verrät Klaus Florian Vogt, was einen echten Helden ausmacht, wie man sich als Vater fühlt, wenn der Sohn auch Sänger werden möchte und warum er kürzlich im Theater Hagen war.
Lohengrin und Stolzing so kurz hintereinander: Ist das eine schlimme Anstrengung?
Überhaupt nicht, ganz im Gegenteil, das hat sehr viel Spaß gemacht. Man muss natürlich während dieser Zeit, in der die Belastung so groß ist, ein wenig auf sich achten und kann neben dem Singen nicht allzu viel anderes machen. Ich versuche einfach, entspannt zu leben, mich gesund zu ernähren und ausreichend zu schlafen.
Ihr Bayreuther Lohengrin ist ein gefährlicher Mann...
Das stimmt. Die Fessel-Szene im Brautgemach war mir zuerst doch sehr fremd, aber ich habe verstanden, dass das keine erotische Komponente sein soll. Lohengrin möchte die Elsa einfach „fixieren“, damit sie ihm zuhört. Die Fesseln sind sein letztes Mittel, um sie doch noch zu überzeugen, ihre Zweifel zu überwinden.
Als Heldentenor müssen Sie sich mit den Helden auseinandersetzen, die Sie singen. Das sind keine einfachen Charaktere.
Es ist spannend, und es bleibt auch spannend, auszuloten, welche verschiedenen Seiten und Charakterzüge zu einem Helden dazugehören. Der Begriff Held klingt für mich immer so einseitig und eindimensional. Und das finde ich eben überhaupt nicht: Ein richtiger Held ist vielschichtig und stellt sich seinen Ängsten und Zweifeln, um sie in bestimmten Situationen dann hinter sich zu lassen. Tut er das nicht, ist er für mich kein Held.
Zwischen Lohengrin, Stolzing und Siegmund taucht immer wieder ein Tamino aus Mozarts Zauberflöte auf. Wie ist es, neben all den Heldenpartien eine lyrische Partie zu singen?
Es macht mir viel Freude, sich auf Mozarts Musik einzulassen und eher puristisch zu singen, ohne diesen ganzen riesigen romantischen Klang um sich herum. Bei Mozart muss ich mich wirklich auf das Kleine reduzieren. Ich denke, das Große funktioniert nur, wenn auch das Kleine funktioniert. Ich gehe die heldischen Partien sowieso immer aus dem lyrischen Ansatz heraus an.
Besteht darin das Geheimnis Ihrer Interpretation?
Das ist möglich, ja. In jedem lauten und kräftigen Ton muss ein leiser, zarter Ton mitschwingen und enthalten sein.
Neben Mozart und Wagner gehört ihre Liebe Franz Schubert. Ist die Schöne Müllerin ein Herzensprojekt?
Das Glück besteht hier darin, sich auf die eigenen Interpretationen und die eigenen Ideen einzulassen und sie zu vertreten. Beim Liedgesang erhalte ich die Möglichkeit, wirklich selber zu entscheiden: Was möchte ich? Wie will ich das ausdrücken? Was fühlt der Müllerbursche gerade? Das ist ganz unmittelbar, in ganz engem Kontakt mit dem Publikum und dem Partner am Klavier. Wenn das gelingt, ist es wunderbar. In diesem Frühjahr habe ich eine Fassung der „Schönen Müllerin“ für Oktett und Gesang herausgebracht, die farbenreicher ist, als mit Klavier, und aus der sich wieder ganz andere Ausdrucksmöglichkeiten ergeben.
2020 singen Sie erstmals den Siegmund in Bayreuth. Ist das für Sie noch einmal etwas Besonderes?
Darauf freue ich mich sehr! Bestandteil oder ein „Rädchen“ in dem neuen Bayreuther „Ring“ zu sein, ist für mich eine große Sache. Ich bin sehr gespannt, gerade auch an diesem Haus, das so speziell für meine Stimme ist.
Wie coachen Sie Ihre Stimme?
Nach wie vor gehe ich so regelmäßig wie möglich zu meiner Gesangslehrerin. Es ist sehr wichtig für mich, diese Kontrolle zu haben. Ansonsten ist ja auch meine Frau, die selbst Sängerin ist, sehr fachkundig. Sie sitzt häufig in den Vorstellungen und gibt mir Rückmeldungen. Das ist manchmal hart, aber sinnvoll.
Ihre Stimme gewinnt weiter an Farbenreichtum. Kann man das steuern - oder entwickelt es sich?
Ich glaube, es ist schwierig, wenn man versucht, bestimmte Farben gezielt herzustellen. In dem Moment, in dem man das versucht, verstellt man die Stimme, und genau das möchte ich eben nicht. Ich nehme das Material, das sich ohnehin mit der Zeit entwickelt hat, ohne zu forcieren. Dafür braucht man natürlich sehr viel Geduld. Aber die Geduld lohnt sich, weil es in dem Moment auch gesund ist.
Im Dezember treten Sie in Osnabrück in einem Sinfoniekonzert mit ihrem Sohn Bosse auf, der an der dortigen Hochschule studiert. Damit stehen Sie erstmals mit einem ihrer Kinder zusammen auf der Bühne. Ist das ein großer Anlass?
Oh ja, das ist es.
Derzeit singt Bosse Vogt in dem Musical Spring Awakening in Hagen...
Und er wirkt auch auf der Freilichtbühne Tecklenburg in Doktor Schiwago mit. Bei der Premiere im Theater Hagen war ich dabei.
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Waren Sie nervös?
Nein, eigentlich nicht. Ich vertraue Bosse, weil ich weiß, was er kann. Seine Veranlagung und seine Bühnenpräsenz haben wir früh gesehen, schon als er noch ein Kind war. Immer, wenn er in der Schule auf die Bühne kam, ging das Licht an. Das ist eben etwas, das man meiner Ansicht nach nicht lernen kann. Man hat diese Begabung, oder man hat sie nicht. Und er hat sie eindeutig. Bei Spring Awakening in Hagen habe ich ihn wirklich bewundert, denn was er da macht, ist mutig, und ich weiß nicht, ob ich mich das in seinem Alter getraut hätte, vermutlich nicht. Insofern bin ich einfach nur stolz.
Termine:: Spring Awakening wird am 14. September im Theater Hagen wieder aufgenommen. Www.theaterhagen.de. Doktor Schiwago läuft bis zum 14. September in Tecklenburg. Www.freilichtspiele-tecklenburg.de Klaus Florian Vogt ist im Herbst mehrfach in Hamburg zu hören: In John Neumeiers Ballett »Das Lied von der Erde« singt er am 10., 12. und 19. Oktober, dann kommt er am 6., 10. und 15. Dezember als Paul in Korngolds »Die tote Stadt« an die Staatsoper zurück, und am 22., 26. und 29. Dezember sowie am 3. Januar singt er Lohengrin in der Inszenierung von Peter Konwitschny. www.staatsoper-hamburg.de.