Essen. Große Künstler, große Aufnahmen: Frisch gehobene Schätze aus der Klassikwelt lassen etwa die Künstlerfreunde Emanuel Ax und Yo-Yo Ma neu strahlen.
Immer, wenn der Klassik-Hamster denkt, er habe nun wirklich alles, steigt ein Kundiger ins Archiv. Oft ist die Quelle der Rundfunk – oder die Plattenindustrie, die in einer Mischung aus Wertschätzung und -schöpfung den Großen huldigt. Drei empfehlenswerte Schätze: alt, aber frisch gehoben.
Im Spiegel Bruckners
Kommen sinfonische Komplettaufnahmen auf den Markt, drückt den Zyklen ein Dirigent den Stempel seiner Lesart auf: der Muti-Schuber, der Solti-Beethoven. Mit angemessenem Selbstbewusstsein geht das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks den anderen Weg. Hier zeigt eines der besten deutschen Orchester seine Künste – die zerklüftete Wucht wie das empfindsame Pastell Bruckners im Spiegel von fast 20 Aufnahmejahren, 1999 beginnend und mit vier seiner liebsten Dirigenten. So ziehen die souveräne Präzision Lorin Maazels (Symphonien 1, 2) an unserem Ohr vorüber wie die seelenkundige Analyse Mariss Jansons’ (3, 4, 7, 8). Bernard Haitinks allürenfreier Energiestrom (5, 6) überwältigt in der Meisterschaft dieses weisen Maestro, ehe mit Herbert Blomstedts Neunter eine gelöste, nie aber spannungslose Gänsehaut-Deutung folgt, die nicht mehr von dieser Welt ist. (BR Klassik, 9 CDs, ca 39 €).
Mozarts „Figaro“ als Gala
Späte Geburt kann auch eine Ungnade sein. Wer wäre nicht gern Gast dieses Mozart-Festes in der Royal Festival Hall gewesen? Ein Figaro mit Fernando Corena in der Titelrolle, dazu die melancholische Sopran-Noblesse Elisabeth Schwarzkopfs, die keck blühende Susanna-Elisabeth Söderströms, Teresa Berganza als Cherubino – und (1961 noch ein No-Name) Piero Cappuccilli als Gärtner Antonio! Carlo Maria Giulini dirigierte das Philharmonia Orchestra, zart und extrem effektsicher zugleich. Der Live-Mitschnitt ist nicht geräuschlos, aber schon der an Rossini geschulte Erzkomödiant Corena lässt das vergessen. Absolut mitreißend, auch 58 Jahre später (ica classics, 2 CD, ca 19 €).
Nur Bestes zum Geburtstag
Als in Amerika die Generation Leonard Roses und Eugen Istomins abtrat, standen ganz selbstverständlich zwei Ausnahmemusiker bereit, die Fackel subtil ergründeter Kammermusik weiterzutragen. Emanuel Ax und Yo-Yo Ma. Ax’ 70 Geburtstag nimmt Sony zum Anlass, noch einmal die klangvollen Früchte einer Jahrzehnte währenden Künstlerfreundschaft zu kosten. Aus einer Box mit stolzen 21 CDs (für ca 44 €, ein Schnäppchen) funkelt die Meisterschaft Werk für Werk, von Mozart bis Prokofiev, von Beethoven bis Brahms, Schubert, Mendelssohn, Fauré. Gäste der Champions-League (Itzhak Perlman, Jaime Laredo und Isaac Stern) adeln die Aufnahmen, die bis heute zum Besten des Genres zählen.