Essen. . Säufer und Spieler: Schock-Beichte von Ex-Fußballnationalspieler Uli Borowka. Heute ist er trocken und entschiedener Kämpfer gegen Alkoholismus.

Er hat dreimal gegen Maradona gespielt und dreimal gewonnen. Auf den Trikots des argentinischen Fußballgottes, die Uli Borowka (57) gesammelt hat, klebt noch sein eigenes Blut. „Die Axt“ war seinem Auftrag wieder gerecht geworden: alles umhauen! Dabei hatte sich der Ex-Nationalspieler aus dem Sauerland neben dem Platz längst selbst gefällt. Als aktiver Profi 16 Jahre Alkoholiker, medikamentenabhängig – „Ich hab’s trotzdem überlebt“, sagt er heute als „Trockener“ und kämpft beherzt gegen die Suchtkrankheit bei anderen, vor allem der Jugend.

Wieder gefragt: Uli Borowka. Foto: Marc Oliver Hänig
Wieder gefragt: Uli Borowka. Foto: Marc Oliver Hänig

Wir trafen Uli Borowka beim Gesundheits-Talk, den diese Zeitung mit der AOK in Essen veranstaltete.

Wie alles begann

Die Eltern führten in Hemer nahe Iserlohn die eigene Vereinskneipe – Schicksal vorbestimmt? „Ich könnte es mir einfach machen“, sagt Borowka und macht es sich schwer. „In die Gaststätte durfte ich nur bis 17 Uhr. Mit 15 aber dann die Lehre zum Maschinenschlosser, da wurde jeden Tag eine Flasche Mariacron mit Cola weggezogen. Ich konnte es von Anfang an nie kontrollieren, nie nach zwei Gläsern stopp sagen.“

Seine größten Erfolge

Unter Jupp Heynckes schaffte es Borowka, der sich nur ein Drittel Talent bescheinigte und den Rest über Einsatz und Entschlossenheit kompensieren konnte, in Gladbach in die Bundesliga. Fußball war für den Eisenfuß mit der Rückennummer 6 Vollkontaktsport, Gegenspieler wie Möller und Klinsmann nennt er „Luschen“. Wechsel zu Werder. In Bremen wurde er zweimal Meister, zweimal Pokalsieger, holte den Europacup, hatte sechs Einsätze für die deutsche Nationalmannschaft.

Die Axt in Aktion: Hier bekommt Bayern-Star Karl Heinz Rummenigge die Borowkasche Blutgrätsche zu spüren. Was wenige wussten: Es war Sprit im Spiel. Foto: imago
Die Axt in Aktion: Hier bekommt Bayern-Star Karl Heinz Rummenigge die Borowkasche Blutgrätsche zu spüren. Was wenige wussten: Es war Sprit im Spiel. Foto: imago © imago stock

Absturz bis zum tiefsten Tiefpunkt

Schlucken nach dem Belohnungsprinzip: „Bei Sieg, bei Unentschieden, bei Niederlagen sowieso.“ Ein Kasten Bier, eine Flasche Wodka, eine Flasche Whiskey, das war sein täglicher Sprit für den unermüdlichen Abräumer. Wahnsinn, damit Leistungssport absolvieren zu können. „Ich habe Glück gehabt, keine organischen Schäden davongetragen zu haben“, sagt er heute. Aber auch dies: „Ich war das größte Arschloch, das man sich vorstellen konnte.“ Weil er sich auch privat „so beschissen benommen hat wie auf dem Feld“: die Eltern belogen und betrogen, die Ehefrau geschlagen – „dafür schäme mich noch immer.“

Einem Mitspieler, der es gut meinte und Borowka auf die Exzesse ansprach, immerhin 1990er-Weltmeister Günter Hermann, hat er beim nächsten Training fast das Schienbein gebrochen. „Der hat nie wieder was gesagt, damit ich ihm nicht noch das Knie kaputt trete. So wurde ich immer einsamer, war nicht mehr ich, konnte mich selbst nicht mehr ertragen.“ Komplett neben der Spur – landet man mit 1,8 Promille im Porsche am Baum.

„Ich schäme mich bis heute.“ Dem schonungslosen Bericht von Ex-Profi Uli Borowka (re.) lauscht Reporter-Legende Werner Hansch andächtig. Foto: Socrates Tassos
„Ich schäme mich bis heute.“ Dem schonungslosen Bericht von Ex-Profi Uli Borowka (re.) lauscht Reporter-Legende Werner Hansch andächtig. Foto: Socrates Tassos

Rettung und Warnung

Das konnte nicht mehr lange gut gehen: Rauswurf im Verein! „Nur so lange man Leistung bringt, kann man auch einmal in der Woche vom Stuhl fallen.“ Er wurde vorher immer irgendwie geschützt, gedeckt, etwa von Trainer Otto Rehhagel. Erst sein alter Mitspieler Hochstätter rettete ihn, meldete ihn in der Entzugsklinik an. Uli Borowka ist seit 2000 furztrocken, rührt nicht mal mehr Tiramisu an: „Es gibt kein kontrolliertes Trinken. Jeder Tag ohne Alkohol ist mir mehr wert als jeder Titel. Ich bleibe bis zu meinem Lebensende gefährdet.“ Über seine Erfahrungen hat er nicht nur geschrieben, er spricht auch viel darüber, vor dem Nachwuchs. „Wir sind keine guten Vorbilder für unsere Kinder. Es sollte ein Schulfach Sucht geben.“ Borowka gründete einen Verein zur Vorbeugung, viele Sportler wenden sich an ihn. Leider lapidar: Keiner ist unnütz, er kann immer noch als schlechtes Beispiel dienen. Nur der Deutsche Fußball-Bund, der wollte wegen seiner Vergangenheit nichts von ihm wissen. Das kreidet Borowka dem DFB als nachgerade unterlassene Hilfeleistung an. War doch dessen Botschaft: Keine Macht den Drogen...

Dieser Artikel erschien zu erst in den NRW-Titeln der Digitalen Sonntagszeitung der Funke Mediengruppe.

Zum Angebot