Rom. Ein Deutscher hat maßstäblich den Backstage- Bereich des Kolosseums von Rom erforscht. Es gab dort sogar Lifte für die Löwen.

In der Arena von Roms Kolosseum mit seinen jährlich 7,4 Millionen Besuchern wird zwar nicht mehr gekämpft. Doch viel Krawall gibt es auf dem Vorplatz. Da streiten sich – oft handgreiflich werdend – Römer in Gladiatorentracht untereinander und auch Touristen-Köderer, die Eintrittstickets ohne Warteschlange zu kräftig erhöhten Preisen veräußern wollen und sich dabei gegenseitig auf die Füße treten.

In dem antiken Amphitheater, dem größten der Welt, ging es im Alten Rom bekanntlich auch nicht zimperlich zu. Mit grausamen Tierhetzen, Gladiatorenspielen und Hinrichtungen beeindruckten die römischen Kaiser hier bis zu 55.000 Zuschauer. Das veranschaulicht die Dauerausstellung „Das Kolosseum erzählt von sich“. Sie entstand in Zusammenarbeit mit der Universität Roma Tre und dem Deutschen Archäologischen Institut (DAI) in Rom. Sehr anschaulich wird in ihr vor allem die Technik zur Vorbereitung von Spektakeln illustriert.

Heinz-Jürgen Beste erforschte die raffinierte Technik der Show-Arena Kolosseum

800 Tage in vier Jahren, etwa 6400 Arbeitsstunden, habe er im Untergeschoss des Kolosseums verbracht. So erzählt der DAI-Bauhistoriker Dr. Heinz-Jürgen Beste, im Sauerland aufgewachsen und seit 1996 in Rom tätig. Die Forschungsergebnisse des Ingenieurs und seines Teams werden seit kurzem einer breiten Öffentlichkeit präsentiert und auch in der Dauer-Ausstellung gezeigt.

Wofür wurde das Untergeschoss benutzt und wie hat es funktioniert? Davon ausgehend hat Beste mit seinem Team vermessen und gezeichnet, schließlich alles dokumentiert. Die Kellerräume des Kolosseums wurden nicht nur als Bühnendekor-Lager, sondern auch als kurzfristiger Aufenthaltsort für Raubtiere oder zum Tode Verurteilte genutzt. Die Nacht vor Spektakelbeginn pferchte man Löwen, Bären, Tiger und Panther in einen engen Gang hinein, in dem sie sich nicht bewegen konnten.

Dann hievte man diese mittels Aufzugskäfig in die tobende Arena. Dr. Beste: „Es war ein inszenierter Showeffekt. Insgesamt 224 Personen zogen die 28 Aufzüge gleichzeitig hoch. Vor dem Arenaboden öffnete sich eine Klappe und die Tiere sprangen zur Überraschung der Zuschauer an verschiedenen Stellen heraus.“

Effektsicher war die Antike: 224 Personen an 28 Aufzügen arbeiteten für die organisierte üÜberraschung

Um seine Untersuchungserkenntnisse zu erhärten, hatte der Bauforscher zunächst Modelle nach „Kindergarten-Manier“ gebastelt, die jetzt zur Ausstellung gehören. Das danach entstandene 1:1-Modell untermauerte Bestes Thesen. Sie basieren auf Abdrücken in den Wänden. Der Bereich unter dem Podium, wo sich einst die Kaiser- und Senatorenlogen befanden, das war das zentrale Forschungsgebiet des DAI.

Doch natürlich hat die Arena noch viel mehr zu erzählen. Wandtafeln der Dauerausstellung erklären die rasante Multifunktionalität des Baus, veranschaulicht mit Fundstücken wie Statuen, Sarkophagen, Inschriften und Münzen.

Nur 450 Jahre bis 523 war das monumentale Gebäude wirklich ein Amphitheater, allerdings mit langen Pausen wegen Feuerausbruchs und Einstürzen durch Erdbeben. Kaiser Vespasian lässt es, finanziert von Kriegsbeute, in zehn Jahren erbauen. Dessen Sohn Titus weiht es 80 n. Chr. mit 100 Tage dauernden Spektakeln ein.

Die Wertschätzung heutiger Besucher genoss es dann erst einmal nicht: Später dient es als Steinbruch, im Mittelalter als Wohnhaus für Familien mit Gärten im Innern, sogar Metzgerläden. Dann wird es Krankenhaus, christliche Märtyrerstätte, auch Kreuzwegstationen werden gebaut und wieder abgebaut. Erst ab dem 19. Jahrhundert interessieren sich auch Archäologen für das antike Wahrzeichen Roms aus Travertinstein und Marmorblöcken. Manches in ihm hat Gültigkeit bis hin zum modernen Kongress-Center der Gegenwart: auch das Alte Rom hatte hierarchische Sitzordnungen und es kannte Fluchtwege bei plötzlicher Gefahr.