Essen. Auftritte, Literaturwettbewerbe, Vernetzungen: Für Menschen, die übers Revier schreiben gibt es die Vereinigung der „Ruhrpoeten“.

Sie nennen sich „Ruhrpoeten“, sie tragen Texte in die Öffentlichkeit, die vom Revier erzählen. Und auch ihre Entstehungsgeschichte ist reviertypisch: Zufälle treffen auf Menschen, die sie nutzen, frei nach dem Prinzip Einfachmalmachen. Die ein Netz knüpfen, sich verbinden. Kathrin Butt (35) und Georg Kentrup (39) vom Vorstand der „Ruhrpoeten“ sitzen in der Sommerhitze im Schatten von Zeche Consol und erzählen die Geschichten von Menschen, die auszogen, die heimlichen Literaten des Reviers zu finden.

Der Prolog

Schauspieler Till Beckmann liebt Lesungen – und sucht drum Texte aus dem Revier für öffentliche Auftritte. 2009 wendet er sich an den Klartext Verlag mit der Idee, einen Wettbewerb auszuschreiben. 380 Einsendungen kommen, Lyrik und Prosa. Es entsteht ein Buch mit den besten Texten, eine erste Veranstaltung präsentiert Autorinnen und Autoren. Kathrin Butt vom Klartext Verlag sitzt in der Jury und betreut das Projekt.

Das erste Kapitel

Georg Kentrup vom Consol Theater in Gelsenkirchen-Bismarck wird Teil der Jury, ein zweiter Wettbewerb bekommt das Motto „Druckstellen“. Erneut gibt es eine Vielzahl von Einsendungen, ein Buch, Lesungen. Das Preisgeld kommt durch Spenden zusammen. Damit eben dieses Spendensammeln einfach wird, gründen acht Literaturfreunde – darunter auch Till Beckmann – einen Verein.

Die Protagonisten

Kathrin Butt ist in Gelsenkirchen geboren und aufgewachsen und arbeitet seit langem schon im Essener Klartext Verlag. Georg Kentrup, geboren im Münsterland, ist „inzwischen sehr verwurzelt im Ruhrgebiet“. Rund um die beiden trägt ein Netzwerk die „Ruhrpoeten“. Kathrin Butt: „Die Autorinnen und Autoren, die immer wieder Texte geschrieben haben und die wir für Veranstaltungen ansprechen können. Die Schauspielerinnen und Schauspieler, die die Texte lesen. Musiker, die das ganze auflockern. Und die Orte, an denen wir auftreten können.“

Die Schauplätze

Beim Tag der Trinkhallen haben die „Ruhrpoeten“ Büdchen mit Lesungen bespielt. Auch in der Straßenbahn, auf der Ruhrtalfähre bei Burg Hardenstein traten sie schon auf. Und an zahlreichen Kulturstätten, Buchhandlungen des Reviers, bei literarischen Straßenfesten, beim Kulturpfadfest Essen, der BoBiennale in Bochum oder im Gasometer Oberhausen … Auch der Stammtisch der „Ruhrpoeten“, übrigens eine öffentliche Veranstaltung, pendelt von Revierstadt zu Revierstadt: das Dezentrale als Konzept.

Der rote Faden

Und das Gemeinsame? „Man kann in den Texten, die bei den Wettbewerben eingereicht werden, schon eine Ruhrgebiets-Identität herauslesen“, sagt Georg Kentrup: „So kleine Dinge wie Kleingärtner oder U-Bahn-Haltestellen, die sehr beiläufig einfach Lebenswelten spiegeln.“ Oder: das Zusammenleben sehr vieler verschiedener Menschen unterschiedlicher Herkünfte. Und „schon auch“: der Bergbau, der Strukturwandel. Kathrin Butt: „In allen Wettbewerben gab es Texte dazu, dass das Ruhrgebiet in der Zukunft unter Wasser steht…“

Die Leserschaft

„Es gibt im Ruhrgebiet ein Publikum für Literatur, aber das ist keine Massenbewegung“, sagt Georg Kentrup. Die „Ruhrpoeten“, das Netzwerken schon gewohnt, machen mit beim neu gegründeten Literaturnetzwerk. Georg Kentrup: „Durch die Lit.Ruhr sind viele wach geworden, die nun sagen: Es gibt doch hier schon etwas, wir haben etwas dagegenzusetzen. Das Netzwerk ist ein guter Ansatz, die Vielfalt abzubilden.“

Die Fortsetzung

Die Autorinnen und Autoren, die sich zu den „Ruhrpoeten“ zählen, die an den Wettbewerben teilnehmen, haben ganz unterschiedlichen literarischen Anspruch. Gerne erinnert sich Georg Kentrup an den Duisburger Bergbau-Rentner, der über „sein“ Büdchen schrieb – „das war der erste literarische Text, den er jemals verfasst hatte.“

Andererseits, so Kathrin Butt: „Wir haben hier viele Autoren, die spannende Texte schreiben – aber nicht gehört werden. Bisher hatten wir in unseren Preisträger-Anthologien immer jemanden dabei, der später den Förderpreis zum Literaturpreis Ruhr bekommen hat – Sarah Meyer-Dietrich etwa oder Enes Maci.“ Beide haben inzwischen Bücher veröffentlicht. Kathrin Butt: „Wir bieten gerne die Bühne, um sich auszuprobieren.“