Essen. Dicht verwoben mit den Lebenslinien eines großen Regisseurs ist der Film „Leid und Herrlichkeit“. In Almodóvars Werk glänzt Antonio Banderas.
Pedro Almodóvar lebt, und wie er lebt! Der Regisseur, dessen letzte Filme nicht gerade von seiner gewohnten Kraft zeugten, er legt mit „Leid und Herrlichkeit“ jetzt einen Film vor, der viel von ihm selbst preisgibt und vielleicht gerade deshalb von einer großen Schönheit durchzogen ist.
Hinzu kommt, dass er mit Antonio Banderas und Penelope Cruz zwei seiner Lieblingsschauspieler wieder mit dabeihat. Beide verkörpern hier die wichtigsten Personen in Almodóvars Leben – den Regisseur selbst, den der Filmemacher mit viel Selbstreflexion ausgestattet hat, und die über alles geliebte Mutter.
Banderas spielt den Regisseur und Autor Salvador Mallo, der sich völlig zurückgezogen hat. Er leidet unter häufigen Depressionen, sein Körper ist von Schmerz durchzogen. Erst als er erfährt, dass sein 32 Jahre alter Film „Sabor“, frisch restauriert, wiederaufgeführt werden soll, spürt er wieder Leben in sich. Er möchte gar den Film selbst präsentieren, gemeinsam mit dem einstigen Hauptdarsteller Alberto Crespo, den er seit damals, nach einer heftigen Auseinandersetzung, nicht mehr gesehen hat.
Almodóvars neuer Film „Leid und Herrlichkeit“ zehrt auch von einem überragenden Helden
Almodóvar, inzwischen auch fast 70, scheint es vor allem um Versöhnung zu gehen. Denn nicht nur, dass Salvador Mallo seinem einstigen Star einen neuen Text von sich schenkt, er hilft auch noch bei der Aufführung. Fast möchte man es einen Reigen nennen, denn just bei der Premiere des Einpersonenstücks trifft Salvador auf seinen ehemaligen Liebhaber Federico, der inzwischen mit Frau und Kindern gesegnet ist. Was die beiden jedoch nicht davon abhält, sich wie in vielen Filmen Almodóvars in einen tiefen Männerkuss zu stürzen.
Dass Banderas für seine Leistung in „Leid und Herrlichkeit“ in diesem Jahr den Darstellerpreis in Cannes gewonnen hat, kann nicht verwundern. Man sieht ihm zu, wie er sich langsam und beinahe übervorsichtig durch die Räume bewegt und wie leise er sich anfangs artikuliert. Wie genau er da immer wieder auch gelegentlich den Almodóvar in sich durchblicken lässt, ohne ihn allerdings zu imitieren, das ist in der Tat eine große schauspielerische Leistung.
Antonio Banderas wurde für die Rolle des Salvador Mallo in Cannes geehrt
Während die zentrale Geschichte im Madrid der Gegenwart spielt, wählt Almodóvar hin und wieder die Flucht in die Kindheit der 60er-Jahre. Damals, als ein kleiner Junge seine junge Mutter Jacinta (Penelope Cruz) vergötterte, wo er erste Berührungen mit dem Katholizismus hatte und erstmals einen ausgewachsenen nackten Mann beim Waschen betrachten konnte. Was dadurch wohl auch schon ein wenig sexuelle Orientierung bedeutet haben mag.
Es sind diese Bilder aus einer irritierend schönen Vergangenheit, die den Betrachter unweigerlich bezaubern. Angefangen von den Motiven der Mutter, wie sie mit der Wäsche zum Fluss geht. Almodóvars Stammkameramann José Luis Alcaine folgt seinem Ruf und sorgt für satte Farben und strahlende Kontraste.
Einmal holt Salvador die Vergangenheit tatsächlich ein. Das ist jener Moment, als er in einer kleinen Galerie durch Zufall auf ein Bild stößt, das ihn als Zehnjährigen beim Lesen eines Buches zeigt. Es stammt von jenem besagten Nachbarn, dem Salvador Lesen und Schreiben beigebracht hat und dessen Nacktheit er betrachten durfte.