Düsseldorf. Das NRW-Forum Düsseldorf zeigt mehr als eine Retrospektive des Fotografie-Stars Martin Parr. Er hat auch Kleingärtner aus Düsseldorf porträtiert.

Bei der Pressekonferenz ist Martin Parr noch die Ruhe selbst, zückt sein Smartphone, fotografiert die durchaus umfangreiche Medienmeute. Er ist schließlich so etwas wie ein Weltstar der Fotografie. Die wahre Herausforderung jedoch muss er am Eröffnungsabend überstehen: Dann kommen sie: 80 Düsseldorfer Kleingärtnerinnen und Kleingärtner, die Martin Parr im vergangenen September porträtiert hat.

Die eiserne Regel lautet: Bitte nicht lächeln!

In nur vier Tagen. Sie werden sich selbst erkennen – so wie Martin Parr sie gesehen und fotografiert hat. Und der neutrale Beobachter fragt sich schon, ob sich alle so gesehen fühlen wie sie sich selbst sehen. Zumal Martin Parr beim Porträtieren eine eiserne Regel hat: „Bitte nicht lächeln!“

Reges Interesse: Martin Parr hat in Düsseldorf und Krefeld in vier Tagen 80 Kleingärtner porträtiert – alle sind in der Ausstellung zu sehen. Und eingeladen zum Premierenabend.
Reges Interesse: Martin Parr hat in Düsseldorf und Krefeld in vier Tagen 80 Kleingärtner porträtiert – alle sind in der Ausstellung zu sehen. Und eingeladen zum Premierenabend. © Lars Heidrich

Das Lächeln entlockt er eher den Menschen, die vor seinen Bildern stehen. Und im Falle der neuesten Serie die Bekanntschaft machen beispielsweise mit dem vollbärtigen Wolfgang, der neben einer fast mannshohen Sonnenbrille aussieht wie der Gründervater der Grünen. Sie blicken in „Dieter’s Bar“, wo der Eigentümer eine Flasche Altbier stolz wie in Baby präsentiert, sie lernen US-Fan Angelika kennen und die „Hazienda“ von Norbert in blau und weiß und die Laube mit den pinken Streifen, vor der Christoph und Janine händchenhaltend sitzen.

„Die Welt braucht Klischees!“

Nun sind Kleingärten fürwahr kein neues Sujet. Aber die eigentliche Stärke von Martin Parr, das macht besonders die Retrospektive deutlich, ist seine stille Ironie, seine Freundlichkeit, die die Menschen vor seiner Kamera zur Selbstentblößung führt.

Zu sich selbst und seinem Stil hat Parr mit der Serie „The Last Resort“ gefunden, die vor 35 Jahren im Museum Folkwang zu sehen war und den Weltruhm des Fotografen begründete – der von englischem Humor durchtränkte Blick auf Menschen, die sich ein künstliches Paradies zu schaffen versuchen. Selbst wenn es, wie im „Last Ressort“ ein heruntergekommenes Seebad ist – oder eben eine sehr begrenzte Kleingartenparzelle am Mörsenbroicher Ei oder der unverhohlen zur Schau gestellte Reichtum, den Parr in seiner Reihe „Luxury“ weit glanzloser präsentiert als fettige Küchlein einer mexikanischen Straßenküche.

Ausstellung mit Martin Parr läuft noch bis November

Zu sehen ist die Retrospektive mit 400 Bildern bis zum 10.11. Öffnungszeiten: di-do, 11-18 Uhr, fr 11-21 Uhr, sa 11-21 Uhr, so 10-18 Uhr., 6 Euro, fr-so 8 Euro. Infos: www.nrw-forum.de.

Zur Ausstellung ist ein Buch erschienen: „Kleingärtner Photographs by Martin Parr“, Koening Books, London, Herausgeber ist Ralph Goertz. Er hat ein Vorwort geschrieben und auch die Ausstellung kuratiert. Das Buch kostet im Handel 29,90, vor Ort 25 Euro.

Typisch für Parr ist die enorme, fast brutale Farbigkeit seiner Serien, oft unter Einsatz des Blitzlichts auch bei Tageslicht leuchten da Bananen und Eishörnchen postgelb im Vordergrund oder die blauen und roten Regencapes von Touristen am Machu Pichu in Peru in seiner Serie „Small World“, bei der Martin Parr den weltweiten Tourismus dokumentiert – und fotografiert, wie Dutzende andere Menschen fotografieren – Parr ist der Satiriker mit Kamera. Spitzbübisch und gentlemanlike zugleich führt er denn auch barfuß in Sandalen den Medientross durch die bislang größte Retrospektive seiner Arbeiten.

Einblick ins schwarz-weiße Frühwerk: Martin Parr vor seinen Arbeiten aus der Serie: „Bad wheather“.
Einblick ins schwarz-weiße Frühwerk: Martin Parr vor seinen Arbeiten aus der Serie: „Bad wheather“. © Lars Heidrich

Und wer ihm folgt, landet hinter den Kleingartenbildern (etwas versteckt und tatsächlich mit plakativem Geräuschteppich von Regen und Donner unterlegt) bei frühen schwarz-weißen Arbeiten, die zeigt, wie Menschen in England und Irland vom wechselhaften Wetter gefordert und überrascht werden.

Schon hier zeigt Martin Parr das Spiel mit der Ironie, zeigt Menschen, dem Wetter ausgeliefert, ohne sie dem Betrachter auszuliefern, zeigt das Spiel mit dem Klischee. „Die Welt braucht sie, weil sie im Wesentlichen wahr sind“, sagt Parr, bei dem man nicht genau weiß, ob die Liebe zum Strand nicht doch größer ist als die Liebe zur Fotografie: Er kehrt immer wieder zurück zu den Menschen am Strand. Dort, wo sie sich selbst entblößen. Fast so als wären sie im Paradies. Parr zeigt genau dies, als menschenfreundlichster aller Voyeure, der seinen Blick mit dem Betrachter und den Betrachteten teilt.