Gelsenkirchen. Sopranistin Helen Donath gibt in Gelsenkirchen einen Meisterkurs. Ihr Ehemann Klaus begleitet sie. Ein Gespräch über Sänger und Selbstfürsorge.

Ihre noch immer völlig intakte Stimme ist schon von weitem zu hören, als sie sich zum Interview der Cafeteria des Musiktheaters im Revier nähert. Auch wenn ihr im nächsten Jahr ihr 80. Geburtstag bevorsteht, bleibt ihr Alter angesichts ihrer fast jugendlichen stimmlichen und persönlichen Präsenz gegenstandslos: Die große Sopranistin Helen Donath gibt in dieser Woche sechs jungen Sängerinnen und Sängern in einem Meisterkurs mit ihrer Erfahrung Hilfestellung für eine gesunde Karriere. Nicht im Solo, sondern mit ihrem Ehegatten Klaus Donath, dem äußerst feinfühligen und kenntnisreichen Pianisten und Dirigenten, dem sie zu einem guten Teil ihre lange Karriere zu verdanken hat. Sie mit der Energie eines Vulkans und er eine Oase der Ruhe.

Es ist 58 Jahre her, dass die 21-jährige Helen auf dem Flughafen Düsseldorf landete. Eine junge Dame aus Texas, ausgebildet in New York, in Erwartung einer großen Gesangskarriere, die in Köln begann und dann durch Klaus Donath in Hannover auf dauerhafte Füße gestellt wurde. In Essen beeindruckte sie jüngst noch als taufrische Zerlina im „Don Giovanni“ und als Aithra in Richard Strauss’ „Die ägyptische Helena“. Pedro Obiera sprach mit ihnen.

Worin besteht das Geheimnis ihrer ungewöhnlich langen und verschleißfreien Karriere?

Helen Donath So ruhig Klaus auch ist: Wir sind wie Sonne und Mond. Ich beziehe meine Kraft aus seiner Ruhe. In den Meisterkursen kolportiere ich alles, was ich von ihm gelernt habe.

Klaus Donath Ich habe immer darauf geachtet, dass ihre Stimme heil bleibt und die falschen Rollen außen vor bleiben.

Was können Sie den jungen Sängern mit auf den Weg geben?

Helen Donath Genau das. Wir wollen sie darin unterstützen, ihre Stimme bewusst einzusetzen. Eine junge Stimme verzeiht zwar manches. Aber eine falsche Rolle, die auf die Stimmbänder drückt, führt in eine frühe Katastrophe. Die Liste früh zerstörter Karrieren ist endlos. Ein ganz wichtiger Rat zur Schonung der Stimmbänder: Geht nicht auf die Bühne, ohne euch einzusingen.

Klaus Donath Und darauf achten, die Töne natürlich zu entwickeln, ohne zu forcieren und auf die Stimmbänder zu drücken.

Helen Donath Wichtig ist auch, dass jeder Sänger das Geschenk, das ihm mit der Stimme gegeben ist, annimmt und mit positiver Energie einsetzt. Und nicht mit Ängsten vor Fehlern und Risiken. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Sänger, die das beherzigen, ihre Rollen stimmlich und gestalterisch wesentlich entspannter ausführen können.

Besuchen Sie eigentlich noch Opernaufführungen?

Helen Donath Klaus und ich sind an allem interessiert. Wir gehen noch gern in die Oper, aber auch ins Theater und ins Kabarett. Wir sind Eishockey-Fans, gehen ins Fußballstadion und manchmal in Rock-Konzerte. Zu Klaus Meine von den „Scorpions“ haben wir eine enge Beziehung. Aber ohne Ohropax können wir das alles nicht mehr ertragen.

Was unterscheidet die Sänger ihrer Generation von den heutigen Nachwuchskräften?

Klaus Donath Heute bleibt den jungen Menschen viel zu wenig Zeit, um ihre Stimme in Ruhe reifen lassen zu können. Und die Verführung, zu früh zu große Rollen anzunehmen, verbunden mit einer kräftezehrenden Reisetätigkeit, alles das ist Gift für eine dauerhafte Karriere.

Helen Donath Deshalb versuchen wir, den jungen Menschen alle Facetten des Gesangs beizubringen und sie darin zu bestärken, das Werk und den Komponisten zu respektieren.

Und was haben Sie gemacht, wenn Sie auf der Bühne den Text vergessen haben?

Helen Donath Gelacht und weitergesungen.