Dortmund. . Drei Jahre war der lettische Dirigent Andris Nelsons „Exklusivkünstler“ in Dortmund. Nun hatte er seinen vorerst letzten Auftritt im Konzerthaus.

Am Ende wehte ein Meer von weißen Tüchern mit dem liebevollen Aufdruck „Adieu, Andris“ durch das Dortmunder Konzerthaus und Intendant Raphael von Hoensbroech ließ es sich nicht nehmen, dem scheidenden „Exklusivkünstler“ ein geflügeltes Nashorn in „Trompetenfarbe“ zu überreichen. Die drei Jahre, in denen der lettische Dirigent Andris Nelsons als „Exklusivkünstler“ dem Dortmunder Publikum denkwürdige Abende am Pult des Concertgebouw Orkests Amsterdam, der Wiener Philharmoniker und natürlich „seines“ Leipziger Gewandhausorchesters schenkte, haben prägende Eindrücke hinterlassen. Und das Publikum im ausverkauften Konzerthaus verabschiedete Nelsons ausgesprochen herzlich, aber ohne Trauerflor. Dazu besteht auch kein Anlass, geht Nelsons doch dem Publikum auch in Zukunft nicht ganz verloren.

Auch das Abschiedsprogramm, das das Leipziger Gewandhausorchester zum Abschluss der Dortmunder Konzertsaison stemmte, ließ keine allzu trüben Gedanken aufkommen. Den mediterranen Außentemperaturen angemessen gab die italienische Oper den Ton an und das mit Highlights der Spitzen-Trias Rossini, Verdi und Puccini.

Puccini-Beiträge aus der „Butterfly“ und der „Tosca“

Eine schöne Gelegenheit für den Dirigenten und die Leipziger Musiker, den orchestralen Anteil der Opern in den Vordergrund zu rücken. Und das gelang Nelsons besonders eindringlich mit den Puccini-Beiträgen aus der „Butterfly“ und der „Tosca“, wenn er in gleichem Maß die verführerische Süffisanz und die Härte der raffiniert gemixten Orchesterparts wie auf einem Silbertablett zum Klingen brachte. Die konventioneller gestrickten Höhepunkte in den Ouvertüren zu Verdis „Nabucco“ und der unvermeidlichen „Macht des Schicksals“ ließen es ein wenig an klanglicher Kontrolle vermissen und für Rossinis „Barbier“ wirkte der Klang des groß besetzten Orchesters trotz vieler Delikatessen im Detail zu massiv. Merkwürdig, dass Nelsons den Verdi-Stücken feinere Piano-Schattierungen entlocken konnte als den Klangwalzen in den berühmten Crescendi Rossinis, die dadurch nicht ihre optimale dynamische Spannbreite entfalten konnten.

Unausgeglichene Stimme, angestrengt in den Höhen

Italienische Oper ohne Gesang ist sinnlos und mit der Sopranistin Kristine Opolais und dem Bariton Thomas Hampson standen namhafte, dem Dortmunder Publikum vertraute Stars zur Seite. Für eine Überraschung sorgte Hampson, der großartige Anwalt Gustav Mahlers und Hugo Wolfs, mit der Auftrittsarie des „Barbiers von Sevilla“. Eine Paraderolle Hampsons dürfte der Barbier nicht werden. Die Stimme wirkte unausgeglichen, in den Höhen angestrengt, die Parlandi schienen mehr markiert als gesungen.

Überzeugender präsentierte er sich als Vater Germont in Verdis „Traviata“, allerdings strahlten Hampsons weitgesponnene Kantilenen eine gewisse emotionale Distanz aus. Den Grund für diese zwiespältigen Eindrücke lieferte Hampson nach der Pause mit Jagos Credo aus Verdis „Otello“. Eine ungemein vielschichtig angelegte Partie, in der Hampson seine Charakterisierungskunst wesentlich besser ausspielen kann als in den psychologisch einfacher gestrickten Rollen des Barbiers oder des Vaters Germont.

Stimme mit optimaler Ausdrucksintensität

Im „Credo“ saß jeder Ton, schillerte jede Phrase vor Hintergründigkeit. Und ähnlich überzeugend wirkte er in der ebenfalls extrem differenzierten Partie des Scarpia in Puccinis „Tosca“. Damit skizzierte er nicht das Psychogramm eines vordergründig brutalen Bösewichts, sondern das eines bösartigen Kavaliers mit vielen charakterlichen Facetten. Als Tosca und zuvor als „Butterfly“ konnte auch Kristine Opolais am stärksten überzeugen. Wie ihrem Landsmann und Ex-Gatten Nelsons liegen ihr die tragischen Figuren Puccinis besonders am Herzen. Hier kann sie ihre Stimme mit optimaler Ausdrucksintensität zur Geltung bringen. Besser als in der „Pace“-Arie aus Verdis „Macht des Schicksals“, die einen eher glockenklaren Sopran verlangt, während Opolais’ Timbre wie das vieler slawischer Sängerinnen ein wenig angeraut klingt. Reizvoll und individuell gefärbt, aber nicht für jede Partie ideal geeignet.

Mit dem Abschied Andris Nelsons schloss auch die Saison des Dortmunder Konzerthauses. Am 14. September geht es weiter mit einem Tschaikowsky-Special des Concertgebouw Orkests Amsterdam unter Leitung von Franz Welser-Möst.