Essen. . Das Museum Folkwang hat seine Schätze neu gehängt – und präsentiert 24 Sammlungs-Räume mit einem 24-Stunden-Fest am kommenden Wochenende.
Wenn das Essener Museums-Flaggschiff Folkwang am kommenden Wochenende seine „Neuen Welten“ mit einem großen 24-Stunden-Museumsfest zur Besichtigung freigibt, wird auch ein wenig Vollmundigkeit offenbar werden – schließlich sind es, darüber werden nicht wenige Anhänger des Museums froh sein, am Ende doch die wohlbekannten, vertrauten Fixsterne der Sammlung, um die herum man da 24 „Neue Welten“ gruppiert hat.
Der seit fast einem Jahr im Amt befindliche Museums-Chef Peter Gorschlüter will auch in Zukunft „weiter aktiv mit der Sammlung arbeiten“, was im Falle des Folkwang vielleicht sogar noch mehr mit der Qualität der freilich extrem vielfältigen Sammlung zu tun hat als mit der Tatsache, dass die Zeit der großen Blockbuster-Ausstellungs-Serien aus verschiedenen Gründen vorbei ist – sie sind schwer zu finanzieren, Museen nehmen immer mehr Rücksicht auf kostbare Werke und das Publikum, das schon viel gesehen hat, ist immer schwieriger hinterm digitalen Ofen hervorzulocken.
Osthaus’ Gedanke, Rodins Skulptur, das Foto von Albert Renger-Patzsch
Peter Gorschlüter hat im Teamwork mit den Kuratoren des Hauses tatsächlich aber die Vielfalt der Sammlung noch stärker zur Geltung gebracht, die ja auch über eine fotografische Abteilung von Weltgeltung verfügt, eine einzigartige Plakatsammlung und stupend viel Grafik. Das Museum musste dazu eigentlich nur zurück zum Folkwang-Gedanken von Karl Ernst Osthaus, der ohnehin als einer der ersten modernen Museumsmacher überhaupt Kunst verschiedener Epochen, Gattungen und Herkünfte miteinander ins Gespräch bringen wollte.
So werden Besucher der noch ein Jahr lang kostenlos zu sehenden hauseigenen Sammlung zunächst eine Weile auf Rodins schutzlos sich in sich selbst bergende „Eva“ (ca. 1881) zugehen, bevor sich der Raum weitet zu „Prometheus Bound“, benannt nach dem gleichnamigen radikal abstrakten Gemälde von Barnett Newman aus dem Jahr 1952. Dazu gesellen sich Eugène Delacroix‘ „Löwe und Schlange“, eine Schlangenskulptur aus der Antike Amerikas, Albert Renger-Patzschs grandiose „Natternkopf“-Fotografie und Max Beckmanns rätselhaftes „Perseus“-Triptychon (1941).
Paula Modersohn-Becker und van Gogh, Monet, Cézanne, Gauguin
Die von der der Kahrstraße aus einsehbare Schauseite des Museums glänzt allerdings nach wie vor mit Meisterwerken von Gauguin, Cézanne, van Gogh, Monet oder Christian Rohlfs. Freilich in neuen Zusammenhängen, wenn etwa van Goghs Porträt des Armand Roulin neben einem Selbstbildnis von Paula Modersohn-Becker zur Geltung kommt. Hier sind die Verwandtschaften (etwa auch mit Maillols „Radler“-Skulptur gewiss am engsten – wie auch bei Renoirs Publikumsliebling „Lise – Die Frau mit dem Sonnenschirm“, die umgeben ist von lauter schönen Frauen (etwa einer Aphrodite aus dem 3. Bis 1. Jhdt. v. Chr.) und Landschaften wie Gauguins „Reitern am Strand“ oder dem lange nicht zu sehenden „Herbstabend im Moor“ (um 1904) von Otto Modersohn.
Der schlüssig und doch mit neuen Perspektiven kombinierte Rundgang schließt mit zwei brandaktuellen Werken: Mit neun großformatigen Fotografien aus der Flüchtlings-Serie „Die Gestrandeten“ (2014) von Samuel Gratacap und Sven Johnes Mammut-Projekt „Anomalien des 21. Jahrhunderts“, der jüngsten Neuerwerbung des Hauses. Sie umfasst 54 Fotografien aus dem Internet (sie zeigen Minister, Aussteiger, berühmte Freiheitskämpfer, verbitterte Alltagsmenschen oder auch Facebook-Chef Mark Zuckerberg) und 52 Texttafeln mit sprechenden Zitaten, allerdings ohne Zuordnung zueinander – und ohne die Gewissheit, dass es authentische Zitate sind. Die große allgemeine Verunsicherung als Kehrseite der Freiheit - und der Zwang, so etwas wie Wahrheit nach den eigenen Kriterien herausschälen zu müssen, als Kehrseite von Informationsfluten. Kunst und Leben enger zusammenzubringen war schließlich auch ein Leitgedanke der Folkwang-Idee.