Dortmund. Klassik-Magnet: Yuja Wang ließ die Massen ins Dortmunder Konzerthaus strömen. Der Eindruck von der chinesischen Pianistin bleibt zwiespältig.
Auftritt Yuja Wang: extravagante Kleidung, sportive Verbeugung, einer Kunstturnerin würdig. Die ersten Effekte sind gemacht, weitere, die der musikalischen Art, werden folgen. Wenn es nämlich darum geht, mit fulminanter Technik schier aberwitzige Virtuosität zu offerieren, ist Wang obenauf. Die Pianistin behält stets die Übersicht.
Wie in Ravels Konzert für die linke Hand, das sie jetzt im Dortmunder Konzerthaus, mit Verve und klar konturiertem Zugriff interpretiert hat. Dem sie kantige Rhythmik ebenso verleiht, wie in den gefühlvollen Passagen ein teils delikates, teils verspieltes Klangbild. Die stilistischen Wechsel, mal nah an Strawinsky, mal am Blues, ernst dahinschreitend oder im silbrig-verzierten Marschrhythmus, gestaltet sie souverän. Alles trennscharf und klar – um den Preis einer unterkühlten Stimmung.
Yuja Wang im Dortmunder Konzerthaus -mitreißend, aber bei Chopin enttäuschend
In Schostakowitschs 2. Klavierkonzert wiederum hämmert sie die Staccato-Akkorde ziemlich mechanisch in die Tasten, attackiert und wirbelt. Dem Andante lauscht sie den elegischen Ton ab, freilich in einer scharfkantig-kristallinen Manier. Dieses Konzert, nach Stalins Tod geschrieben, hat eine überaus klassische Einfassung, verzichtet auf den doppelten (politischen) Boden. Die Pianistin macht gleichwohl viel Effekt, doch ohne genaueste Kontrolle geht da wenig. Und ja, sie scheitert sogar: mit einem Chopin-Walzer als Zugabe, der nicht Form noch Gehalt hat. Yuja Wang also verblüfft, reißt mit – und kann enttäuschen.
Umso mehr lässt das Orchestre Philharmonique du Luxembourg unter Dirigent Gustavo Gimeno aufhorchen. Wild und leidenschaftlich in Tschaikowskys „Sturm“-Fantasie (nach Shakespeare), farbenprächtig und überwältigend in Ravels 2. „Daphnis et Chloé“-Suite.