Essen. So vielgesichtig Jim Jarmuschs Kinoschaffen ist: Zombies fehlten ihm noch. Mit „The Dead Don’t Die“ ändert sich das ab sofort.
Nach experimentellen Filmen wie „Coffee & Cigarettes“, nach Road Movies wie „Permanent Vacation“, „Stranger Than Paradise“ und „Down by Law“, nach dem Western „Dead Man“, dem Samurai-Film „Ghost Dog“ und dem Vampir-Streifen „Only Lovers Left Alive“ waren nicht mehr so viele Genres übrig, mit denen Jim Jarmusch noch hätte spielen können. Sein neuester Streich „The Dead Don’t Die“ hat dann aber noch die Zombies entdeckt.
Der wahre Untote darin aber ist der Film, ist das Kino – unkaputtbar, unbesiegbar. Der Film spielt da, wo das Amerika der Jetztzeit ganz bei sich ist, auf dem platten Land. Die Mitte von Nirgendwo, wo reisende Jugendliche gleich als Großstadt-Hipster gelten, heißt in diesem Falle Centerville. Das Polizistentrio Cliff Robertson, Ronnie Peterson und Minerva Morrison schlägt sich hauptsächlich mit geklauten Hühnern herum, als es eines Tages gar nicht mehr dunkel zu werden scheint, sämtliche Uhren ausfallen und irgendwann auch die Radios. Kurz vorher hört man, dass die US-Regierung das Fracking im Polar-Eis erlaubt habe und unisono mit der Energie-Industrie bestreitet, dass die Verschiebung der Erdachse irgendetwas damit zu tun haben könnte…
Auch Iggy Pop hat seinen Zombie-Auftritt in Jim Jarmuschs „The Dead Don’t Die“
Einer der beiden ersten Zombies, die nun aus dem Grab steigen, ist einer, den man engagiert haben könnte, weil die Maske bei ihm nicht mehr viel zu tun hat: Iggy Pop. Aber wie alle Stars dieses Films tritt er völlig unglamourös auf, ausschließlich auf die Wirkung bedacht. Und irgendwann in diesem Film fällt dann der Satz „Es ist perfekt, achte auf die Details“. So ist auch die Story dieses Films nicht sein Ereignis, es sind die kleinen Scherze am Rande. Es ist der perfekt gekämmte und geschminkte Waldschrat, in dem Tom Waits steckt. Es ist die schwertschwingende Bestatterin mit der schrägen (und im Original extrem schottisch klingenden) Aura von Tilda Swinton. Es ist der Moment, in dem Adam Driver als Polizist Peterson seinem Kollegen Robertson (der Gipfel des Stoischen: Bill Murray) die Frage beantwortet, woher er wusste, dass das Ganze böse enden wird: „Jim hat mir das Drehbuch zu lesen gegeben.“
Eine schwindelerregende Logik-Kapriole, die aber wie fast alles bis zum Schluss von Bill Murray in der heimlichen Hauptrolle des Films geradezu wegstoizidiert wird. Jarmusch beherzigt wieder einmal die alte Woody-Allen-Regel, dass Komödie durch Tragik plus Zeit entsteht.
Thrill durch permanentes Lauern: Jarmuschs „The Dead Don’t Die“ ist ein Plädoyer für die Entschleunigung
Wieder also ein enorm entschleunigter Film, was kein Verlust von Spannung bedeutet, sondern eine andere Art davon, ein permanentes Lauern, und fast bedauert man, dass es mehr und mehr durch Handlung ersetzt wird. Deshalb muss es so ein Zombie, der sein Zweitleben nur aushauchen kann, wenn sein Kopf vom Rumpf getrennt wird, dann auch aushalten, wenn nicht der erste, nicht der zweite, sondern erst der dritte Hieb gegen seinen Hals so richtig sitzt – das Publikum muss es ja schließlich ebenfalls durchstehen, selbst wenn sich der Horror solcher Szenen leicht in Lachen auflöst. Die Katastrophen, die menschgemachten, sind längst nicht mehr aufzuhalten – es bleibt eigentlich nur, die Komik zu erkennen und Haltung zu bewahren, selbst wenn das in eins zusammenfallen sollte. So viel weiß man, wenn man aus diesem Film herauskommt. Auf der Straße dann beginnt man aber doch, die Mitmenschen daraufhin zu mustern, ob der Film und das Kino wirklich die einzigen Untoten unter uns sind.