Köln. Johan Simons inszeniert am Kölner Schauspiel Ödön von Horváths "Kasimir und Karoline" – die Sätze von Horváths Volksstück treffen wegen ihrer schmerzhafte Wahrhaftigkeit immer noch mitten ins Herz.

Ödön von Horváths „Kasimir und Karoline” ist ein Volksstück, bei dem es sich lohnt, den Sätze nachzulauschen, die mitten ins Herz treffen, weil sie so viel schmerzhafte Wahrhaftigkeit enthalten. „Menschen ohne Gefühle haben es im Leben viel leichter”, sagt Kasimir, dessen Gefühle so stark sind, dass sie ihm gar nicht alle über die Lippen kommen wollen. In der Kölner Einrichtung des Stückes durch Johan Simons hat man jetzt Gelegenheit, Horváth in seiner ganzen Größe zu erleben: Man spürt geradezu, wie es in den Figuren weiter arbeitet, auch wenn sie nichts sagen.

Simons hatte seine Inszenierung ursprünglich als Freiluftaufführung konzipiert: Premiere auf einem holländischen Flughafen, danach Gastspiele in Athen und Avignon. Die Kritiken klangen damals nicht gerade berauschend, was wenig Hoffnung machte auf die Weiterverwertung der Einrichtung nun im geschlossenen Raum des Kölner Schauspiels. Hier aber scheint nun eine wundersame Wandlung stattgefunden zu haben, die wohl gleich mehrere Ursachen hat. Da wäre Horváths Sprache, deren bittere Pfeile immer noch am besten in ihrer Ursprungsform treffen. Da ist das starke Ensemble, das mit diesen Sentenzen traumhaft sicher zu jonglieren versteht. Und nicht zuletzt hat Simons selbst seine Szenen wohl noch einmal einer Revision unterzogen.

„Vielleicht sind wir zu schwer füreinander”, sagt Karoline, deren emotionale Unsicherheit und gesellschaftliches Begehren Angelika Richter sicher im Griff hat. Ihr Freund Kasimir ist gerade „abgebaut” worden als Chauffeur und von Selbstzweifeln befallen. Markus John verkörpert diesen wuchtigen, unbehauenen Kerl derart eindringlich, dass jeder ausgesprochene Satz wie eine gedämpfte Eruption von Verzweiflung wirkt.

Schauspielkunst

Seine Erkenntnisse sind von prophetischer Natur: „Wenn der Mann abgebaut wird, wird auch die Liebe der Frau weniger”, erklärt er seiner Freundin, die das bereits an sich selbst spürt. Sie will etwas abhaben vom großen Kuchen, und sie ist bereit, dafür auch ihren Körper einzusetzen. Da sind zwei, die plötzlich nicht mehr miteinander können, und die Umgebung gibt ihren Kommentar. Das Oktoberfest ist ein abweisendes Metallgestänge mit kalten Neonröhren, obenauf grüßt wie zum Hohn das Wort „Enjoy”. Und rechts hockt eine Band mit weißen Starkstromfrisuren und schwarzen Masken, die mit entspannender Fahrstuhlmusik und aggressivem Hardrock die Gefühlslagen der Menschen meint kommentieren zu müssen. Dass Musik als störend oft empfunden wird, zeigt sich hier besonders deutlich.

Alles in allem aber ist dies ein großer Abend, vorrangig der Schauspielkunst. Mit welcher Scheu und zorniger Unterwürfigkeit Jan-Peter Kampwirth den Zuschneider Schürzinger gibt, der für Karoline schließlich allein übrig bleibt, ist eine stille Glanzleistung. Eine von vielen an diesem Abend, der mit großem Jubel endete, in dem ein paar Buhs, warum auch immer, hoffnungslos untergingen.