Baden-Baden. . Sting hat seine alten Schätzchen neu eingespielt: Das Album „My Songs“ versammelt Hits und Lieblingsstücke. Ein Gespräch
Sechs erwachsene Kinder, seit 1982 mit Trudie Styler liiert, Eigentümer von sechs Luxusimmobilien sowie 18 Grammys und viele Millionen schwer. Und dazu hat Sting, 67, auch noch einen Job, der ihm nach mehr als 40 Jahren noch unverschämt viel Freude macht. Nun veröffentlicht der Engländer, der mit The Police seine Weltkarriere begründete, mit „My Songs“ seine größten Hits in neuer, zeitgemäßer Interpretation. Steffen Rüth traf ihn zum Gespräch.
War es für Sie eine leichte Übung, zu Songs zurückzukehren, die Sie vor 40 Jahren geschrieben haben?
Sting: Ja, denn diese Songs und ich, wir sind uns sehr vertraut. Ich singe diese Lieder schließlich Abend für Abend bei der Arbeit. Und ich singe sie leidenschaftlich gern. Ich bin mir sicher, ich kenne meine Lieder heute besser als früher. Einige der Nummern haben wir kaum verändert, andere recht stark. Immer so, wie es sich richtig und gut anfühlte.
Sind Ihre Songs Ihre Freunde?
Wenn du einen neuen Song aufnimmst, ist das der Beginn einer Beziehung, das ist aufregend, aber du weißt noch nicht, wie sich diese Beziehung mit der Zeit entwickeln wird. Eine Beziehung, die über viele Jahre besteht, ist etwas ganz anderes. Da ist mehr Wissen, tatsächlich auch mehr Liebe, aufrichtige, tiefe Liebe. Und nicht mehr nur ein bloßes Hingerissensein.
Haben Sie eigentlich ständig neue Songideen im Kopf?
Oh nein, das wäre schön. Das mit den Songs ist wie Angeln. Manchmal beißt einer an, manchmal nicht. Wichtig ist, dass du immer schön nah am Fluss sitzen bleibst, also offen und bereit bist, wenn dir die Inspiration begegnet. Ich wünschte, es gäbe irgendwo einen Knopf, den ich drücken könnte, damit die Ideen strömen. Aber der Knopf verändert ständig Form und Farbe, ich finde ihn nur selten.
Ein paar passende Knöpfe haben Sie in den gut vier Jahrzehnten ohne Zweifel gedrückt.
Ja, aber es gibt keine Garantie. Jedes Mal, wenn ich einen Song fertiggestellt habe, frage ich mich, ob es wohl der letzte war. Denn es könnte ja wirklich sein.
Im Ernst?
Ja, natürlich. So ticke ich. Ich frage mich auch bei jeder Mahlzeit, ob es wohl die letzte sein könnte. Das Zusammenspiel von Leben und Tod fasziniert mich. Und daraus folgt: Genieße, was du hast. So lange du es hast.
Haben Sie vor irgendetwas Angst?
Ja, eindeutig. Ich bin mutig, aber selbst die mutigsten Menschen haben Ängste. Ich zum Beispiel fürchte mich vor Bären und Drachen. Obwohl ich weder das eine noch das andere bisher gesehen habe (lacht).
Nun mal im Ernst...
Vor dem Klimawandel. Der ist gefährlicher als alle Bären zusammen.
Die Jugendlichen gehen jetzt gegen Erderwärmung auf die Straße...
Die Jugend macht was, aber die Politiker nicht. Die scheinen sich alle mehr darum zu sorgen, an der Macht zu bleiben, als etwas gegen die größte existenzielle Krise zu unternehmen, die wir auf diesem Planeten jemals hatten. Solange die Politiker das alles ignorieren und aussitzen, können wir wenig tun. Ich kann nur an die Menschen appellieren, für Politiker zu stimmen, die das Problem angehen anstatt bloß dummes Zeug zu reden.
Am Wochenende ist Europawahl. Als Brite dürfen Sie überraschenderweise noch mitwählen.
Und das tue ich. Ich wähle immer. Ich habe vor drei Jahren für den Verbleib in der EU gestimmt. Irgendwie hoffe ich noch, dass wir irgendwie in der Gemeinschaft bleiben. Ich sehe keinen Grund, die EU zu verlassen.
Die Mehrheit war allerdings anderer Ansicht.
Gut möglich, dass wir inzwischen in der Mehrheit sind. Ich finde, es muss ein zweites Referendum geben, jetzt, wo die Informationen und die Nachteile offen auf dem Tisch liegen. Ich denke, jetzt würden die Menschen klüger abstimmen.
Was sind Sie? Brite? Europäer?
Ich bin ein Brite, der für Europa einsteht.
Bevor Sie Musiker wurden, waren Sie Lehrer. Was ist aus Ihrer Sicht das Wichtigste an diesem Beruf?
Mein Job war es, Enthusiasmus zu wecken – für ein Buch, für ein Gedicht, für ein Gemälde. Man kann niemandem etwas beibringen, was den gar nicht interessiert. Es geht darum, Begeisterung zu entfachen. Denn Menschen lernen nur, was sie lernen möchten.