Düsseldorf. Künstler braten und backen, kochen und garen in Düsseldorf. Die Ausstellung "Eating the Universe - Vom Essen in der Kunst" in der Düsseldorfer Kunsthalle, umfasst 90 Arbeiten zum Thema.
Es riecht nach Reibeplätzchen, duftet nach Schokolade und Süßigkeiten, nach allerlei Gewürzen, aber auch nach verbranntem Gummi und künstlichen Aromastoffen. Nicht etwa auf dem Weihnachtsmarkt, sondern in der Düsseldorfer Kunsthalle. In dem Betonklotz, dessen Architektur Joseph Beuys mal abfällig als „Pralinenschachtel” bezeichnete, geht es in den nächsten Monaten um Freuden für Nasen und Gaumen - genauer: Es geht ums Essen. „Eating the universe” heißt die Schau, in der es zu Kunst und Ess-Aktionen, Banketten (allerdings ohne Sterne-Köche) und schrillen Performances kommen soll. Wenn auch überwiegend der Genuss im Vordergrund steht, so weisen doch zahlreiche Arbeiten der Künstler aus zwei Generationen auf Vergänglichkeit der Nahrung, oder sie machen sogar Ess-Störungen zum Thema. Doch keine Panik! Diese Tabu-Brüche gehen auf Distanz zum Betrachter, sind nur auf Bildschirm zu sehen.
Mit Schokoladenkouvertüre bestrichene Bänke
Das Außergewöhnliche: Die meisten Künstler sind vor Ort und werden an bestimmten Tagen kochen und garen, backen und braten. Zeger Reyers (43) installierte gar eine „Rotierende Küche”. Ein komplett eingerichtetes Studio mit Töpfen, Pfannen, Porzellan, Gläsern, Nudelpackungen und Gewürzen. Darin wird der Holländer für seine Familie Speisen zubereiten. Während der Aktion setzt sich der auf einer Drehscheibe befestigte Raum in Gang und dreht sich um die eigene Achse. Dass alles durcheinander fliegt und zerstört wird, gehört zum Konzept. „Es ist vergleichbar mit dem Verzehren von köstlichen Speisen. Sie werden zermalmt, im Magen zusammengewürfelt und am Ende verdaut.” So nah beieinander liegen Essen und Zerstörung. Ob Essen aber auch etwas mit hehrer Kunst zu tun hat? Die Frage lassen Zegers und viele seiner Altersgenossen offen.
Verführerisch duften mit Schokoladenkouvertüre bestrichene Bänke und Wände in der Rauminstallation der Schottin Anya Gallaco (46). Doch Schokolade und Süßigkeiten nutzt Carsten Höller (48) für eine bitterböse Installation aus Laufstall, Überraschungseiern und Elektrokabel. „220 Volt” und „Komm Kleines, kriegst was Feines” nennt der in Schweden lebende Künstler die Verführung durch Optik und Geschmack, die vermutlich tödlich endet.
Dagegen abstoßend auf den ersten Blick wirkt der geschundene und verdrehte Frauenleib aus Butter und Margarine in einer gläsernen Kühlvitrine, die die Berliner Bildhauerin Sonja Alhäuser (40) ironisch „Willkommen” tituliert. Ganz anders, ja altmeisterlich gediegen die Rezeptbuch-Bibliothek und das „Herdöpfelschälerli” von Daniel Spoerri, der vor 40 Jahren am Düsseldorfer Burgplatz die weltweit erste „Eat Art Galerie” eröffnete. Seine Speise- und Menükarten, wie „Hommage an Karl Marx”, „Banana-Tripp-Dinner” oder seine Brotteig-Objekte in Holzkästen datieren aus den 60er und 70er Jahren.
Gewürzpredigt für Pfeffersäcke
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Spoerri wird am 5. Februar eines seiner legendären Eat-Art-Bankette zubereiten. Surreal wirken einige Exponate des Eat-Art-Papstes auch heute noch, ähnlich wie die Installation eines Stehsekretärs mit alten Gewürzen. „Gewürzpredigt für Pfeffersäcke” nannte Lili Fischer, heute Kunstprofessorin, das Objekt, auf dem Zeichnungen in einer Mappe liegen, ähnlich wie im gediegenen Kunsthandel. An klassische Vermarktung ihrer Kunst erinnern auch die Editionen und „Atemobjekte” von Günter Weseler. 1970 montierte er Motoren in Tierfelle, die sich bewegen und an Brotkrusten nagen.
Dass Mäuse durch emsiges Nagen selber Kunstwerke herstellen können, zumindest Spuren ihrer Arbeit hinterlassen, die wir heute als abstrakte Malerei wahrnehmen, beweist Michel Blazy. Der Franzose bestrich einen riesigen Weisheitszahn und Papiere mit Zucker, Vanille- und Schokoladenpulver. Und überließ sie Nagetieren, die sich in Bahnen in die verlockenden Substanzen hineinfraßen, Zahn-Abdrücke hinterließen und ungewollt organische Formsprache entwickeln. Landschaften und Hunde erkennt man in den Werken. Fazit: Die Schau von Vätern und Söhnen der Eat-Art amüsiert, irritiert, duftet manchmal wohl, macht aber nicht immer Appetit.