Essen. „Friede sei mit Dir” heißt das Kunstwerk, das die beiden Pole des Publizismus – in Berlin Tür an Tür beheimatet – in gute, alte Kriegszeiten versetzt. Eine Penis-Skulptur des Künstlers Peter Lenk befeuert den alten Gesinnungs-Streit zwischen "taz" und "Bild"

„Bild” und „taz”, Hund und Katz' also, konservativer Boulevard und linkskritische Satire, zücken noch einmal die spitzen Federn. Die Rollen von Sponti-Witz und Spießertum aber scheinen merkwürdig vertauscht.

Verlängerung der Penis-Satire

Aber fangen wir am Anfang an – nein, keine Sorge, nicht mit dem Beginn des nunmehr 40 Jahre währenden Kulturkampfes der Linken gegen Springer. Sondern im Jahr 2002: Da schrieb Schriftsteller Gerhard Henschel auf der Satire-Seite der „taz” (die „Die Wahrheit” heißt, was schon mancher missverstand), „Bild”-Chef Kai Diekmann habe sich in Miami einer Penisverlängerung unterziehen wollen, „aber die Operation sei unglücklich verlaufen und einer Kastration des Patienten gleichgekommen.” Aua! Besonders schmerzhaft für Diekmann, dass er im Rechtsstreit mit der „taz” den Prozess um ein Schmerzensgeld verlor.

Nun aber schoss die „taz” mit der Verlängerung der Penis-Satire ein Eigentor. Der Künstler Peter Lenk (62) wurde eingeladen zur Kunst am Bau. Seit dem 15. November ziert sein Werk das „taz”-Haus in der Rudi-Dutschke-Straße. Es zeigt einen Mann, der Diekmann ungeheuer ähnlich sieht, mit übergroßem Geschlechtsteil. Geübte Augen erkennen in einer ihn unterstützenden Schlangenbeschwörerin zudem Friede Springer. Prompt wurde der „Pimmel über Berlin”, so die boulevardeske Wortschöpfung, zum Aufreger – der die Medienwelt Kopf stehen lässt. Denn nicht etwa der Provozierte empörte sich. Im „Tagesspiegel” jubelte Diekmann, der unlängst „taz”-Genosse wurde: „Die neue Skulptur werte ich als Höhepunkt einer ganz neuen Sinnlichkeit und Fleischeslust, die ich so bei der taz nicht vermutet hätte.”

Die Kritik kam stattdessen direkt aus dem, nun ja, Fahrradständer: „Geht es nach dem Künstler Peter Lenk, dann soll ich mein Fahrrad jetzt für zwei Jahre jeden Morgen unter einem sechs Meter langen Pimmel abschließen. Was für eine klägliche Provokation. Wie öde. Ich habe schlicht keine Lust auf diese aufgeblasene Spießigkeit, die sich um den ewig traurigen Männermachtkampf dreht: Wer hat den Längeren?” So kommentierte „taz”-Chefredakteurin Ines Pohl. Erst kürzlich hat sie den Job von Bascha Mika übernommen – und die Lenk'sche Kunstaktion ererbt. Im Gespräch mit dieser Zeitung begründete sie ihre giftige Reaktion: „Ich finde diese Art Kunst einfach von Gestern. Wir müssen den Kampf gegen die Springer-Presse mit anderen Mitteln führen.” Nämlich? „Durch solide Berichterstattung.” Spannend aber seien die „feministischen Aspekte” der aktuellen Auseinandersetzung: „Ich glaube, dass daraus etwas erwächst, was gut ist.”

Die Kunstwand wird zur Klagemauer

Derweil bot Kai Diekmann, der sein Glück über den internen Streit offenbar kaum fassen kann, den „taz”lern sein Internet-Tagebuch „Meine taz” als Gast-Blog an – und eine Freibier-Party zur Versöhnung. Der Mann hat Humor.

Und die Frau? Gleich zum Amtsantritt machte sich Ines Pohl angreifbar, indem sie Vorgängerin Mika angriff. Nun versäumt sie eine gelassene Miene zum bösen Spiel. Man mag Pohls Ärger über die ererbten Kunstpläne der Ära Mika verstehen – ihre Reaktion aber macht die Kunstwand zur Klagemauer, an der linke Witzlosigkeit zu beweinen ist.

Besonders peinlich: Überlegungen, das Kunstwerk wieder los zu werden, treffen auf den Widerstand des Künstlers. Peter Lenk, der mit der Skulptur die Methoden der Boulevardpresse entlarven wollte, brachte in der Diskussion um den möglichen Interruptus der Aktion gar das böse Wort „Schadenersatz” ins Spiel. Ines Pohl: „Wir werden zeitnah entscheiden, was wir tun.”