Oberhausen. . Zwei Jahrestage beim Gasometer Oberhausen: Vor genau 90 Jahren wurde er fertig – seit 25 ist er eine Ausstellungshalle. Ein Buch blättert sie auf.

Um ein Haar wäre aus dem Oberhausener Gasometer Anfang der 90er-Jahre ein Weltraum-Museum geworden, samt Planetarium. Oder ein schnödes Hochregallager. Gerüchte wollten gar etwas von einem Indoor-Golfplatz auf mehreren Ebenen wissen. Am Ende aber verwandelte sich „Europas größtem Gasspeicher“ dann doch in die höchste Ausstellungshalle des Kontinents.

 Gasometer Oberhausen am Rhein-Herne-Kanal 1929.
Gasometer Oberhausen am Rhein-Herne-Kanal 1929. © Hans Berger / Sammlung LVR Industriemuseum

Diese gewohnt verrückte Idee von Karl Ganser, dem Chef und Denker der Internationalen Bauausstellung Emscherpark (1989-1999), hier Ausstellungen zu platzieren, leuchtete schlagartig ein, als 1994 „Feuer und Flamme“ in den Gasometer Einzug gehalten hatte: die Ausstellung über 200 Jahre Ruhrgebietsgeschichte „von unten“, aus der Perspektive des Alltags und der schwer arbeitenden Menschen, in einem Gebäude mit respekteinflößenden Ausmaßen und Gewinnmargen zugleich. Ein stiller Koloss der Industriekultur, dessen Menschenfeindlichkeit die Ruhrgebietler im Laufe der Jahrzehnte überwanden, indem sie das Monster in ihr Herz schlossen. Nur so hat, bei allem Rat der Experten, der scheinbar unausweichliche Abriss nach der Stilllegung 1988 dann doch gestoppt werden können.

„Der Eiffelturm des Ruhrgebiets“, meinte Udo Mainzer

Blick in die aktuelle Ausstellung „Der Berg ruft“.
Blick in die aktuelle Ausstellung „Der Berg ruft“. © Kerstin Bögeholz

Und so feiert der Gasometer in diesem Jahr gleich ein doppelt, mit einer runden Zahl und einem Jubiläum: Auf den Tag genau vor 90 Jahren (16. Mai) wurde er als Industriebau ungeahnten Ausmaßes fertiggestellt (der sich, 1,74 Millionen Reichsmark teuer, durch die Speicherung des zuvor immer abgefackelten Gichtgases schon nach einem Jahr rentiert hatte, weil er 2,2 Millionen RM einbrachte) – und seit 25 Jahren dient er als einmalige Stätte von 16 Ausstellungen, die allein schon durch ihre Hülle spektakulär wurden. Und die sagenhafte acht Millionen Besucher an den „Eiffelturm des Ruhrgebiets“ lockten, wie der einstige Landeskonservator Udo Mainzer die 117,5 Meter hohe Megatonne liebevoll nannte.

16 Ausstellungen in 25 Jahren

90 Jahre steht der Gasometer, 25 Jahre lang ist er Europas höchste Ausstellungshalle: Der jetzt im Klartext Verlag erschienene Band „Gasometer Oberhausen. Kathedrale der Industriekultur“ (152 Seiten, 14,95 €, zahlr. Abb.) lässt die bisher 16 Ausstellungen im Gasometer Revue passieren und erzählt auch kurz die Geschichte des Aufbaus und Niedergangs dieser einstigen Industrie-Ikone.

Zum Doppel-Jubiläum hat der Gasometer (hinter dem eine selbstständige Ausstellungs-GmbH steckt, die) nun einen Rückblick auf die Ausstellungen des Hauses herausgegeben. Die beliebteste war übrigens „Wunder der Natur“ (in den Jahren 2016/17 mit 1,35 Millionen), die wenigsten Besucher hatte „Ich Phoenix“ (1996 mit 96.000), eine Gruppenausstellung zeitgenössischer Künstler von Jochen Gerz bis Katharina Sieverding. Christos Riesenballon „Big Air Package“ (2013) war mit 444.000 Zuschauern übrigens erfolgreicher als seine bunten Ölfässer „The Wall“ (1999, 390.000). „Sternstunden“ über die Wunder des Sonnensystems streifte 2009/10 mit 961.000 Besuchern ebenfalls die Millionenmarke.

100 Meter Luft nach oben – eine Herausforderung

Titelblatt Werkszeitschrift GHH 25/1930.
Titelblatt Werkszeitschrift GHH 25/1930. © Sammlung LVR Industriemuseum

Es hat eine Weile gedauert, den schier unfassbar hohen Raum mit Ausstellungen so zu gestalten, das von den über 100 Metern Luft nach oben nicht mehr allzuviel übrigblieb – die Dimensionen sind und bleiben übermenschlich. Wie übrigens auch die Schönheit des Blicks nach oben, wenn nichts den Blick versperrt: Denn wenn das Tageslicht durchs Dach strömt, in das nach der weitgehenden Beschädigung im Zweiten Weltkrieg 1949 beim Wiederaufbau Fenster-Öffnungen hineingebaut wurden, wirkt es wie eine Rosette – und das Wort von einer „Kathedrale der Arbeit“ so treffend wir nur selten sonst.