Mülheim. . Heiter-besinnlich, aber etwas schlicht in der Botschaft. Sibylle Bergs „Wonderland Ave.“ eröffnete die Mülheimer Stücke.
Es gibt kein richtiges Leben im falschen, oder etwa doch? Mit der heiter-besinnlichen Dystopie „Wonderland Ave.“ von Sibylle Berg sind am Samstag die Mülheimer Theatertage „Stücke 2019“ eröffnet worden. Bis zum 1. Juni wetteifern bei dem traditionsreichen Bestentreffen sechs Bühnen aus Deutschland und Österreich um den mit 15.000 Euro dotierten Mülheimer Dramatikerpreis.
Gleich doppelt vertreten ist das Schauspiel Köln. Regisseur Ersan Mondtag inszeniert zum Auftakt den jüngsten Theatertext der viel beschäftigten Sibylle Berg, die sich ihren Ruf als feinhumorige Zynikerin in den letzten Jahren hart erarbeitet hat. Unter jeder glatten Oberfläche lauern bei ihr Hass und Zerfall, einem möglichen Happy End stellt sich Berg bockig entgegen. Mögen ihre Stücktitel auch noch so freundlich klingen: Vor dem Bergschen Sarkasmus sind keine ihrer Figuren sicher. Liebe gibt es nicht, Zuneigung misslingt – und am Ende fallen alle todmüde ins Bett und singen ein Lied.
Sibylle Bergs „Wonderland Ave.“ buhlt 2019 um den Mülheimer Dramatikerpreis
„Wonderland Ave.“ erinnert dabei ein wenig an „Helges Leben“, Bergs Beitrag zu den „Stücken 2001“. Statt wie damals die Weltherrschaft der Tiere in ein surreales Licht zu rücken, sind es diesmal forsch auftretende Maschinen, die in einer nicht allzu fernen Zukunft das Kommando über den tristen Alltag eines Pärchens übernommen haben. Die im Text geforderte „Person unklaren Geschlechts“ teilt Mondtag brav auf Mann und Frau auf.
Bergs etwas schlicht gestrickte Botschaft liegt schnell auf dem Tisch: In ihrem unermüdlichen Streben nach Fortschritt und Harmonie hat sich die Menschheit selbst abgeschafft und steht jetzt unter dem Pantoffel eines unerbittlichen Roboter-Apparats. Wenn das Glück des Lebens bloß aus freiem WLAN und Tierfilmen auf dem Flatscreen besteht, ist der Weg in ein „perfektes Dasein“ nicht mehr weit – wo immer dies auch liegen mag.
Weil der Autorin über ihre düstere Zukunftsvision hinaus nicht viel eingefallen ist, tritt das Spiel schnell auf der Stelle, die Dramaturgie wirkt starr. Handlung? Fehlanzeige. So ist Ersan Mondtag, von dem auch das Bühnenbild stammt, zwingend darum bemüht, den verkopft wirkenden Text mit allerlei lustigen Ideen aufzupeppen.
Tapfere Inszenierung rettet einen Text, der es sich etwas zu leicht macht
Er verlegt die Handlung in eine Art Museum, in dessen Mitte eine riesige Nachbildung des Schauspielers Bruno Cathomas liegt. Der wunderbare Cathomas selber und seine wild gestikulierende Spielpartnerin Kate Strong wirken beinahe winzig auf dem massigen Bauch dieses schlafenden Riesen und treiben den zähen Text nach Kräften voran, während das fünfköpfige Roboter-Ensemble in fantastischen Kostümen von Josa Marx wie ferngesteuert über die Bühne tippelt und die seelenlose Maschinensprache genüsslich zelebriert.
Schwacher Text, tapfere Inszenierung: Das Mülheimer Publikum bleibt merklich reserviert und belässt es nach zwei pausenlosen Stunden bei freundlichem Beifall.
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