Jen und Judy werden vom Schicksal hart getroffen - so haben die beiden eigentlich völlig gegensätzlichen Frauen nun zumindest eines gemeinsam

Jens tägliche Meditationspraxis besteht – ganz unkonventionell – aus einer Dosis Death Metal, die aus der Soundanlage ihres Autos dröhnt – dazu rastet sie kurz, methodisch und kontrolliert aus. Jen hat allen Grund ihren Emotionen freien Lauf zu lassen. Erst kürzlich hat sie ihren Ehemann an einen rücksichtslosen Raser verloren, der Fahrerflucht beging und ihren hilflosen Gatten sterbend auf der Straße zurückließ.

Um das Unbegreifbare begreiflich zu machen, schließt Jen sich einer Selbsthilfegruppe an, die sich regelmäßig zur gemeinsamen Trauerarbeit verabredet. Dort lernt Jen die ebenfalls vom Schicksal gestreifte und ansonsten zu liebenswürdigen Neurosen neigende Judy kennen. Gegensätzlicher als die beiden könnte ein Paar künftiger Fernsehserien-Freundinnen nicht sein: auf der einen Seite die kontrollierte Erfolgsimmobilienmaklerin Jen (Christina Applegate, Bild rechts), auf der anderen Seite die schrullige Judy (Linda Cardellini, Bild links), die ihr Leben so gar nicht im Griff zu haben scheint.

Plötzlich Mitbewohnerinnen

Ehe man sich’s versieht, nimmt die taffe Jen, ihrer Trauer zum Trotz, die strauchelnde Judy unter ihre Fittiche und quartiert sie in ihrer Garage ein, die einst der Musikübungsraum ihres Ehemanns war und in der die Zeit seit seinem Unfall still zu stehen scheint.

In dieses morbide Ambiente fügt sich Judy nicht so ohne weiteres ein, nicht zuletzt da Jens Nachwuchs die neue Mitbewohnerin als ungehörigen Eindringling betrachtet. Judy wartet allerdings mit einem sehr dunklen Geheimnis auf, das an dieser Stelle nicht verraten werden soll. Dem halbwegs mit wachen Sinnen beschenkten Zuschauer enthüllt es sich allerdings bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt der Serie.

Was auch so ziemlich genau den Konstruktionsfehler der im kurzweiligen 30-Minuten-Format daherkommenden Drama-Comedy beschreibt – ein Format übrigens, das sich aktuell im Fernsehen großer Beliebtheit erfreut. Die große Enthüllung, die in anderen Serienformaten oft zu einem spektakulären Erzählhöhepunkt hin ausgebaut wird, wird hier im Grunde von der ersten Folge an ohne zwingende Notwendigkeit vorweggenommen und schließlich quälend langsam, ausstaffiert mit müden Witzchen und hanebüchenen Drehbuchausschmückungen durcherzählt. Das einzige wirkliche Wunder dieser Netflix-Serie besteht darin, dass sie die Performance ihrer beiden Hauptdarstellerinnen nicht zu schmälern weiß. Durchgehend nuancenreich und mit enormem Charme verstehen es die beiden weiblichen TV- und Kino-Routiniers ihren Charakteren Tiefgang und Witz zu verleihen.

Weshalb man sich am Ende der zehn Folgen von „Dead to Me“ auch trotzdem ein möglichst baldiges Wiedersehen mit den beiden wünscht. Dann aber bitte in einer anderen Serie, mit einem Drehbuch, das seinen Darstellerinnen gerecht wird.

Dead to Me
Zehn Episoden, je 30 Min., ab 3.5.
Onlinestreaming, Netflix FSK k.A., Wertung: 2 von 5 Sternen