Recklinghausen. . Die Ruhrfestspiele bringen einen Text auf die Bühne, den die Neue Rechte feiert. „Wir müssen diese Schriften kennen“, sagt Intendant Olaf Kröck.

Die Ruhrfestspiele eröffnen mit libanischem Tanztheater und einem Laufsteg in der City, der gesellschaftliche Vielfalt zur Mode macht. Dann aber folgt am Samstagabend die Uraufführung eines Textes, der von der Neuen Rechten gefeiert wird: „Das Heerlager der Heiligen“ von Jean Raspail. Festspiel-Intendant Olaf Kröck erläutert im Gespräch mit Britta Heidemann die Hintergründe.

Der Raspail-Roman von 1973 erzählt von Flüchtlingsschiffen vor Europas Küsten, Politiker wie Marine Le Pen zählen zu den Fans. Warum bringt Ihr Festival den Roman auf die Bühne?

Ich arbeite schon lange mit dem Regisseur Hermann Schmidt-Rahmer zusammen. Er hat mit der Produktion „Volksverräter!!“ am Schauspielhaus Bochum die Mechanismen des Rechtspopulismus freigelegt. Schon in Jelineks „Schutzbefohlenen“ hat er sich mit den Folgen der Flüchtlingskrise von 2014 beschäftigt. Jetzt nimmt er sich einen literarischen Text vor, den die europäische Rechte für ihre Ideologie entdeckt hat. Wir müssen die Schriften dieser Ideologie kennen, die im Verborgenen arbeiten.

In Deutschland ist der Roman 2015 im Antaios Verlag erschienen, der Übersetzer Martin Lichtmesz gilt als Anhänger der Identitären. Unterstützen Sie mit der Aufführung nicht die Neue Rechte?

Wir haben den Text in Frankreich erworben und selbst übersetzt. Das Geld fließt an den französischen Agenten des Autors, kein Cent geht an diesen rechten Verlag.

Wie haben Sie selbst den Roman empfunden?

Wir, die einen bestimmten Grundhumanismus in unserer Theaterpraxis durchdekliniert haben, sind einen solchen Text nicht gewöhnt. Er ist eine Qual zu lesen, in Teilen ekelt er mich an. Wir haben auch nicht geglaubt, dass es solche Texte gibt. Kunst muss das Risiko eingehen, sich auch mit der dunklen Seite bei der Frage der Migration, offener Grenzen und des Humanismus zu stellen. Was passiert, wenn eine ganze Ideologie die Idee von Mitleid und Empathie verachtet?

Was passiert mit dem Text auf der Bühne?

Wir hören diese Texte und spüren eine direkte körperliche Reaktion auf bestimmte Beschreibungen. Das Wissen darum, dass dieser Text in einer bestimmten Gruppe als Positivbeschreibung gilt, wirkt abstoßend. Solche Texte sind Teil einer ideologischen Argumentation, die der Theaterabend offenlegt. Es geht darum, das aus dem Schattenreich herauszureißen und die Grausamkeit und Menschenverachtung sichtbar zu machen. Woran ich tief glaube, ist an die Mündigkeit des Publikums, das selbst denken kann.

Sie haben also keine Sorge, dass nun die AfD-Mitglieder ins Haus strömen?

Ich glaube nicht, dass die am Ende befriedigt sein würden. Allerdings bekommt die linke Intellektuelle auch nicht die Befriedigung einer einfachen Antwort. Die zentrale Frage des Stücks ist: Kämpfen oder teilen? Wir glauben, wir kennen die Antwort, aber was heißt das wirklich – teilen?