Klassik in voller Blüte – so etwas wollen wir jetzt hören. Wir präsentieren sechs neue CDs von spannenden Künstlern, die den Frühling locken.

In den Plattenregalen türmen sich derzeit wieder reihenweise interessante Klassik-Alben. Auf dieser Seite stellen wir Ihnen sechs neue Werke vor.

Klieser trifft Mozart

Mag das Staunen der Welt, dass ein junger Mann ohne Arme sich furchtlos aufmacht, ein großer Hornist zu werden, seine Karriere anfangs auch beflügelt haben: Felix Klieser ist erst 28, aber über diesen Punkt doch längst weg. Sein jüngstes Album erklimmt den Everest seines Fachs: Mozarts vier Hornkonzerte. (Berlin Classics, ca 17€). Was für ein prachtvoller Ton, romantisch eigentlich in der weichen Sanglichkeit, doch im Virtuosen eben auch genau von jener erzmusikantischen Keckheit, mit der Wolferl („Für Sie, Herr Esel!“) einst Hornisten seiner Zeit piesackte. Die Camerata Salzburg hält mit höfischer Eleganz dagegen und dieses prachtvolle Album damit in wundervollem Gleichgewicht. Wann wird die Seele schon mal mit Blech gestreichelt? Hier!

Ein Trip auf Tasten

Cameron Carpenter. 
Cameron Carpenter.  © Sony Music

Puristen sehen bei Cameron Carpenters Genre-Sprengungen die Königin der Instrumente in Glamour-Gefahr. Auf seinem neuem Album ruht freilich der Ritterschlag eines großen Dirigenten: Christoph Eschenbach. Dem fiel der Organist schon an New Yorks Juilliard School auf. Eschenbach und Berlins Konzerthausorchester zeigen brillant auftrumpfenden Spaß am Höllenritt dieser CD: Für seine schillernde 1-Million-Euro-Orgel, die auch digitale Jahrmarkt-Töne pfeifen kann, hat Carpenter Rachmaninows berühmte Paganini-Variationen arrangiert (Sony, ca 18€). Das donnert, zirpt, triumphiert. Ein Trip, dem man sich kaum entziehen kann. Boxen bis zum Anschlag aufdrehen – egal, was die Nachbarn sagen!

Sinfonisch gezimmert

Hans Zimmer ist eine feste Säule im Tempel amerikanischer Filmmusik. Elf Mal hat man den gebürtigen Hessen für den Oscar nominiert. Der Meister selbst glaubt an seinen Sound auch ganz ohne Bilderrausch – in üppige Konzertsuiten hat er „The World of Hans Zimmer“ gekleidet. Das ORF-Symphonieorchester Wien springt mit Pauken und Trompeten (bei Bedarf auch seufzenden Celli und putziger Perkussion) auf diesen Zug, der Zimmers persönlicher Triumphmarsch ist: Pearl Harbor, König der Löwen, Gladiator, Madagascar, Fluch der Karibik... Fans werden schwelgen über die opernhafte Opulenz, Gegner den Schaum der seifigen Werke verachten. Aber ist das bei Wagner nicht ganz ähnlich? (Doppel-CD, Sony, ca 22€)

Kölscher Beethoven

Die Stars live in NRW

Felix Klieser gibt am 25. Mai einen Kammermusikabend in der Tonhalle Düsseldorf. Alexander Krichel stellt sein neues Album in Sundern und Iserlohn vor (22.6., 19.7.). Die WDR-Sinfoniker sind am 26. Mai mit einem reinen Beethoven-Abend in Dortmund.

Neun Jahre hat der Finne Jukka-Pekka Saraste an der Spitze des WDR-Sinfonieorchesters gestanden. Die großartige Einspielung aller neun Beethoven-Sinfonien bleibt ein begeisterndes Zeugnis dieser zum Sommer endenden Ära. Dieser „kölsche“ Beethoven entfaltet sich blühend gelöst, dem Unruhe-Stifter gibt das hellwach agierende Orchester expressiv Raum. Wir hören delikate Details und doch stets den großen dramatischen Bogen: Dieser Beethoven hat Biss und Herz zugleich. Fabelhaft! (Box, 5 CD, Hänssler, ca 22€)

Krichels Gruß nach oben

In einem Gespräch mit unserer Zeitung Ende 2017 erzählte der wunderbare Pianist Alexander Krichel von einem anrührenden Familienritual: Gleich, wo auf der Welt er auftrat, segnete seine hochbetagte Großmutter den nahenden Auftritt in einem mutmachenden Telefonat. Wenige Wochen später verstarb die alte Dame. „An die ferne Geliebte“ (Sony, ca 16€) ist ihr gewidmet und der Enkel zeigt die ganze Bandbreite seines großartigen Könnens vom sinnlichen Abgrund Schumanns, über die walzernden Widerhaken Kreislers. Krichel lässt Beethoven singen und uns mit Wagners Tristan ins Jenseits vereinter Seelen reisen. Klangpoesie der uneitlen Art!

Mit Mozart in die Tiefe

Mozärtlich: Sopranistin Olga Peretyatko.
Mozärtlich: Sopranistin Olga Peretyatko. © dpa Picture-Alliance

Kürzlich, in Wien, hat die FAZ sie noch als „Jungstar“ bezeichnet, dabei entwächst Starsopranistin Olga Peretyatko (38) der Welt der zwitschernden Fledermaus-Adele wie der koloraturseligen Rossini-Damen sehr bewusst. In „Mozart +“ (Sony, ca 17€) siedeln neben Renommier-Arien aus „Figaro“, „Don Giovanni“, „Entführung“, fast vergessene Konkurrenz-Komponisten der Zeit. Betörend sind auf diesem weniger die Spitzentöne als die herrlichen timbrierten Etagen darunter. Nicht immer makellos, aber wie charaktervoll! Das Gegenteil von Sopran-Virtuosität, bei dem Damen ohne Unterleib gezeichnet werden. Hier regiert pure sängerische Energie. Stark!