Essen. . Eine kraftvolle Rock-Revue: Aalto-Ballettchef Ben van Cauwenbergh liebt Rock und Barock – und zeigt dies in „Rock around Barock“.
Ben van Cauwenbergh liebt Rock und Barock. Und besonders die ultraleichte Unterhaltungsform, so wie sie in den 1990er Jahren bei großen Fernsehshows am Samstagabend vorgeführt wurde. Aus dieser Zeit stammt seine Nummern-Revue aus Welthits von Bach, Rock und Pop mit klassischen und neoklassischen Ballett-Einlagen, manchmal sogar auf Spitzenschuhen. „Rock around Barock“ nennt der Ballettchef des Aalto-Theaters seine 120-Minuten-Show (abzüglich einer 30-Minuten-Pause) mit der Wiesbadener Rockband „Mallet“: Nach ihrer Essener Premiere wurden die Barden mit grauen Haaren mit rhythmischem Klatschen, Pfeifen, Johlen und Jubel gefeiert.
Wohlgemerkt die Essener Premiere. Denn in Wiesbaden kam van Cauwenberghs Collage aus Dauerbrennern von Bach, Rod Stewart oder den Beatles bereits Mitte/Ende der 90er heraus (damals war er Tanzchef des Hessischen Staatstheaters) und steht nun bis 2020 an 25 Abenden auf dem Programm.
Ben van Cauwenbergh setzt auf Wiedererkennung
Handlung oder Roter Faden sind unerwünscht. Von einem Song zum anderen Zappen, Mitsingen (zu Morricones Filmhit „Spiel mir das Lied vom Tod“) und Mitsummen sind angesagt. Einen fesselnden Ballettabend sollte niemand erwarten. In Tango- und Flamenco-Nummern sieht man nichts anderes als stilisierte Variationen angereichert mit Spitzentanz. Doch berühren Aalto-Solisten, die nichts an ihrem hohen Niveau eingebüßt haben, in einigen Nummern mit ihrer tanztechnischen Bravour und Ausdruckstärke. Besonders nach der Pause fasziniert Moisés León Noriega zu Pink Floyds „Marooned“ in einem Solo durch eine Mischung aus Kraft und extrem geschmeidiger Virtuosität. Oder Denis Untila, der zu Rod Stewarts lyrischer Ohrwurm-Ballade „Sailing“ abhebt und, an einem Segel hängend, im Gleitflug über die Bühne schwebt.
Keine Frage: Auf ästhetische, gefällige Bebilderung der Hits versteht sich van Cauwenbergh. Doch wagt er sich nicht an aktuelle Tanzgenres. So dominieren in fast allen Tanz-Häppchen die aus zahlreichen Balletten bekannten Pirouetten, Hebefiguren oder Sprungkombinationen. Ganz schön anzusehen ist das, aber nicht mehr. Modern und auf der Höhe heutiger, flinker, manchmal ruppiger Bewegungskunst mit Überraschungs-Momenten sind lediglich zwei Miniaturen, kreiert von Igor Volkovskyy. Der ukrainische Choreograph (früher Aalto-Tänzer) setzt „Garb“ der russischen Rockband Nogu Svelvo in markante Psycho-Bilder mit Seilen. Oder fesselt in dem rauchig röhrenden Song „Konijo“ des unbequemen Sowjet-Rockers Vladimir Vysotsky mit einem geheimnisvollen Männer-Pas-de-deux.
Die Band Mallet spielt seit 40 Jahren
Und Barock? Bach erklingt am Anfang und Ende, natürlich a bissel weichgespült, und in einer heiteren Parodie kredenzt von Bühnenmeister (mit goldenem Marschallstab) Yegor Hordiyenko in Mozart-Perücken. Rock-Sound im Stil der späten 70er bieten die Hessen-Rocker der Band Mallet – Jürgen Rehberg, Manfred Dünzl und Mario Gerhards. Kein Wunder, die Herren im Rentenalter musizieren seit 40 Jahren zusammen.