Bochum/Essen. . Ein global denkendes Kunstfest muss manchmal auch vor der Tür kehren. Die Ruhrtriennale 2019 widmet sich naheliegend: Europa.

Die Ruhrtriennale widmet sich in diesem Jahr dezidiert Europa. Nachdem sie im vergangenen Jahr den globalen Süden, seine Künstler und Perspektiven ins Ruhrgebiet getragen hat, steht nun die Selbstbesinnung des Kontinents im Fokus – allem voran die Frage nach der repräsentativen Demokratie, die zunehmend im Feuer zu stehen scheint. Vor allem mit den Fragen danach, wer wen zuverlässig repräsentieren kann und wo.

Blicke auf einen zerstörten Kontinent

Deshalb platziert Christoph Mar­thaler seine Eröffnungs-Inszenierung der anstehenden Ruhrtriennale ausgerechnet im Auditorium Maximum der Bochumer Ruhr-Universität, dessen Anfang der 70er-Jahre gebautes Rund architektonisch für eine unverstellte, allgemein zugängliche Kommunikation stehen sollte, für das utopische Versprechen einer „gleichen“, hierarchiefreien Öffentlichkeit, eines machtfreien Diskurses. Marthalers Inszenierung „Nach den letzten Tagen. Ein Spätabend“ soll ab dem 21. August ein Leitmotiv der diesjährigen Ruhrtriennale anschlagen.

In diesem Rund sollen europäische Reden erklingen – solche aus der Zeit vor 1914, in der sich zusammenbraute, was sich in zwei Weltkriegen und einem Holocaust entladen sollte. Marthalers Inszenierung geht aus von einer erschreckenden Ähnlichkeit der Situation, in der Nationalismus und Rassismus dazu dienen, das „Eigene“ zu verteidigen und bedrohte Besitzverhältnisse zu zementieren.

Der Bochumer Audimax soll sich in eine Art Weltparlament verwandeln, in dem auch Reden aus unserer Gegenwart und einer nahen, fast absehbaren Zukunft zu hören sein werden – einer Zukunft, in der Europa zerstört ist. Dazu erklingt Musik von Komponisten, die in der ersten Jahrhunderthälfte aus Wien und Prag vertrieben wurden und zum Teil in den Konzentrationslagern des NS-Regimes ums Leben kamen: Pavel Haas, Viktor Ullmann, Gideon Klein oder Erwin Schulhoff, aber auch Exilanten wie Aleksander Tansman oder Erich Wolfgang Korngold.

Und noch vorab wird ein wissenschaftliches Symposion mit den Instituten für Theater- und für Medienwissenschaften an der Ruhr-Universität die „Grenzen der Repräsentation“ ausloten: Dass also die Bevölkerung zunehmend fremdelt mit ihren Abgeordneten, ihrem Parlament, ihrer Politik. Und dass umgekehrt Abgeordnete nicht immer das repräsentieren, was ihre Wähler wollen, sondern interessengesteuert agieren, schlimmstenfalls sogar von Lobbyisten instrumentalisiert werden – nicht nur auf nationaler, sondern auch auf europäischer Ebene.

Hinzu kommt im Triennale-Programm Jan Lauwers’ „Needcompany“ (ab 22. August), die ein Musiktanztheater aufführt, in dem es um ein Europa geht, das seine Werte opfert – als Reaktion auf islamistischen Terror. Der rote Faden des Stücks spult sich rund um den israelischen Tänzer Elik Niv ab, der als Elitesoldat verletzt wurde und in der Reha zum Tanz fand.

Farbige Folien für Friedfertigkeit

Der frühere Triennale-Intendant Heiner Goebbels wird sich zudem mit der zerstörerischen Geschichte Europas in den vergangenen 100 Jahren beschäftigen: „Everything that happended and would happen“ (Alles, was passierte und passieren würde, ab 23. August) wird eine Multimedia-Performance: Sie greift auf Bühnenbildelemente aus Goebbels’ Inszenierung von John Cages Anti-Oper „Europeras 1 & 2“ zurück und mischt sie mit Tanz, Musik und dem „Europeana“-Text des tschechischen Historikers Patrik Ourednik sowie tagesaktuellen Nachrichtenbildern des Senders Euronews.

Um die schönen, eher unbeschwerten Seiten Europas geht es dann allerdings in der Installation „Colours of Europe“, die der Künstler Olu Oguibe an der Bochumer Jahrhunderthalle einrichten wird: Farbige Folien sollen ein friedfertiges, freundschaftliches Zusammenleben symbolisieren.