Köln. . Weil er weggeworfene Skizzen aus dem Altpapier des Künstlers Gerhard Richter gestohlen hat, muss ein Mann eine Geldstrafe zahlen.
Die Bilder, um die es geht, sind dick mit Pappe, Folie und Klebestreifen verpackt. „Jetzt muss ich aber ganz vorsichtig sein“, sagt Richterin Katharina Potthoff, als sie sich mit einer Schere an dem flachen Päckchen abmüht. Schließlich befinden sich darin Originale des Malers Gerhard Richter, der einer der teuersten lebenden Künstler ist. Nur, dass die Bilder nach dessen Ansicht misslungen sind. Darum hat er sie nicht signiert, sondern in seine Altpapiertonne geworfen. Und von dort hat ein Mann sie mitgenommen. Dafür verurteilte das Kölner Amtsgericht ihn am Mittwoch wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe.
Der mit schwarzem Dreiteiler und weißem Hemd bekleidete Angeklagte schweigt im Prozess zu den Vorwürfen. Manchmal zieht der 49-Jährige die hohe Stirn spöttisch in Falten oder schüttelt missbilligend den Kopf. Gerhard Richter ist nicht erschienen, aus gesundheitlichen Gründen könne der 87-Jährige nicht kommen, hatte sein Atelier im Vorfeld mitgeteilt. Also versucht das Gericht mithilfe von Zeugen das Geschehen aufzuklären.
Angeklagter bot Bilder einem Auktionshaus an
Bei der polizeilichen Vernehmung war der Angeklagte nicht so schweigsam wie im Gerichtssaal. „Er sagte, der Müllcontainer sei durch einen Sturm umgeweht worden“, schildert ein Polizeibeamter. Der Angeklagte habe nach eigenen Angaben „etwas Gutes tun wollen“, indem er im Juli 2016 die herausgefallenen Papiere einsammeln und wieder in die Tonne legen wollte. Dabei habe er die vier Werke – postkartengroße, mit Öl übermalte Fotos – gefunden.
Der Angeklagte sei an Richters Kölner Villa gewesen, um ihm eine Kunstmappe zum Kauf anzubieten. Doch der Maler habe abgelehnt. Auch über die Skizzen aus dem Altpapier hätte er sich - so erklärte der Angeklagte es der Polizei – später gerne mit Richter „geeinigt“, aber er habe ja kein Gehör gefunden.
So bot er zwei der Bilder einem Münchner Auktionshaus an - das die Werke zwar zunächst annahm, allerdings ein Echtheits-Zertifikat vom Gerhard Richter Archiv in Dresden verlangte.
Bilder waren nicht signiert – aber zweifellos echt
Als der Angeklagte dort drei der gefundenen Bilder vorlegte, war für den Leiter des Archivs, Dietmar Elger, gleich klar: „Sie waren zweifellos echt.“ Allerdings sei ihm die Sache merkwürdig vorgekommen, sagt Elger als Zeuge aus. „Die Bilder hatten keine Signatur und keine Rahmung.“
Die Behauptung des Angeklagten, er habe die Bilder von einem Künstler bekommen, der sie wiederum von Richter als Geschenk erhalten habe, habe nicht dazu gepasst. „In diesem Zustand würde Richter seine Bilder nie verschenken.“
So oder so: „Die drei vorgelegten Bilder haben auf dem legalen Kunstmarkt keinen Wert“, betont Elger. Trotzdem „hätte ich sie vielleicht nicht weggeschmissen“.
Unverkäuflich – aber nicht ohne Wert
Für das Gericht steht laut Urteil außer Frage, dass die eigentlich unverkäuflichen Bilder dennoch einen guten Preis erzielen könnten, würde man einen Käufer finden. Der genaue Wert könne aber nicht geschätzt werden – in der Anklage ist die Rede von 60 000 Euro.
Die Staatsanwaltschaft fordert eine Geldstrafe, der Verteidiger dringt auf Freispruch. Der arbeitslose Angeklagte nutzt seine Gelegenheit zum letzten Wort: „Ich sehe mich nicht als Dieb und Verbrecher.“
Richter selbst erschien nicht vor Gericht
Am Ende verurteilt das Gericht ihn zu einer Geldstrafe von 3150 Euro – 90 Tagessätze zu je 35 Euro. Die Bilder sollen eingezogen werden. „Auch, wenn die Skizzen neben der Papiertonne lagen, waren sie noch Eigentum des Künstlers“, sagt Richterin Potthoff in der Urteilsbegründung. Indem der Maler die Bilder in den Müll warf, habe er sie „an einen Entsorgungsbetrieb zum Zwecke der Entsorgung übereignet“.
Richter selbst hat nach Angaben seines Ateliers an einer Strafverfolgung des Angeklagten kein Interesse, sondern wolle nur, dass die Arbeiten vernichtet werden. „Er wollte einfach seine Ruhe“, berichtet auch der Polizist, der Richter vernommen hatte. „Die ganze Sache schien ihm lästig zu sein.“ (dpa)