Dortmund. . Das Wissen und seine Wege durch die Jahrhunderte: Eine Schau in Dortmunds Zeche Zollern erzählt vom Erfinden, Abgucken – und Kopieren.

Gar nicht so einfach, eine Ausstellung über das Wissen und seine Weg einigermaßen handfest zu inszenieren, aber auf der Dortmunder Zeche Zollern bekommen sie das hin, mit einem babypopoglatten Formel-1-Reifen und dem auch nicht gerade rauen Scheibenrad eines ICE, mit Türklinken, die man drücken muss, um dahinter zu kommen, was Elon Musik (Paypal, Tesla) angetrieben hat oder wie erfolglos Konrad Adenauers geniale Erfindung eines von innen beleuchteten Stopfpilzes war (erst musste Energie gespart werden, dann wurde im Wirtschaftswunder immer weniger gestopft).

Und dann sind da noch die Kopfhörer, die man hier oder dort einstöpseln kann, bevor man eine erfolglose Ursprungsversion oder die Hit-Fassung von „Valerie“ (Amy Winehouse) oder „Tainted Love“ (Soft Cell) hört. Dass die Ausstellung „Alles nur geklaut“ heißt, verdankt sich einem durchsichtigen Versuch von Ranschmeiße, tatsächlich geht es um Wissen und die Wege, die es über die Jahrhunderte hinweg bei seiner Verbreitung genommen hat und nimmt.

Revier-Blüte dank Spionage

Wissen bedeutet Macht“ variiert der erste Satz dieser Ausstellung den alten Ausspruch von Francis Bacon, und spätestens bei der Frage, ob Wissensvermittler wie Spione nun Helden oder Verbrecher sind, ist man bei der moralischen Dimension. Während bei den Ägyptern noch der Gott Thot den Menschen Schrift und Wissen schenkte, war für denselben Vorgang, symbolisiert durch das Feuer, beim griechischen Halbgott Prometheus schon ein Diebstahl vonnöten. Und im jüdisch-christlichen Paradies gar ein Ungehorsam gegen den Allmächtigen. Samuel Stöltzel, der seit 1710 Geheimnisträger in der Porzellanfabrik zu Meißen war, bereute denn auch, dass er 1719 mit seinem Wissen für viel Geld und Luxus an den Wiener Hof gewechselt war und kehrte ein Jahr später zu August dem Starken zurück, der ihn prompt begnadigte.

Alles nur geklaut? Eine Plastikmännchen-Serie auf Zeche Zollern.
Alles nur geklaut? Eine Plastikmännchen-Serie auf Zeche Zollern. © Ralf Rottmann

Im Ruhrgebiet wurde Industriespionage zur Grundlage des Erfolgs: Friedrich Harkort aus Wetter spionierte in England die Funktionsweise von Dampfmaschinen aus und warb Arbeiter von dort ab – bis heute wird er als Pionier für das Kohle- und Stahl-Revier gefeiert. Gegen derlei Raubkopien sollte die Patent-Anmeldung helfen. Die erste von 1877, das künstliche Ultramarin-Rot, wird in Dortmund ebenso beurkundet wie das von 1886 mit der Nr. 37435 von Carl Benz über einen „Motorwagen“. Aber es gibt auch das genaue Gegenteil: Conrad Röntgen verzichtete darauf, seine Strahlen, die das Körperinnere sichtbar machten, zum Patent und damit als Quelle für persönlichen Reichtum anzumelden: Er wollte, dass seine Erfindung der Allgemeinheit dient. Als Trostpflaster für so viel Edelmut gab es 1901 dann den auch nicht schlecht dotierten Nobelpreis für Physik.

Eintritt frei für Kinder und Jugendliche

„Alles nur geklaut?!? Die abenteuerlichen Wege des Wissens“ in Dortmunds Zeche Zollern (Grubenweg 5 in 44388 Dortmund) läuft bis zum 13. Oktober. Geöffnet Di-So 10–18 Uhr.

Eintrittsfreie Tage sind: 27.4., 19.5., 8.9., 12.10. und 13.10.; Kinder und Jugendliche bis 17 Jahren zahlen auch an allen anderen Tagen nichts. Der Eintritt für Erwachsene beträgt 8 Euro.

Letztlich sind ja auch Whistleblower wie Edward Snowden oder Brigitte Henisch, die dafür gefeuert wurde, dass sie Anfang der 2000er-Jahre Missstände in der Pflege öffentlich gemacht hat, öffentliche Wohltäter. Etwas atemberaubender aber nimmt sich in den Vitrinen doch das Handwerkszeug der Kollegen von James Bond aus, die Stasi-Gießkanne mit der Kamera ebenso wie der Winz-Fotoapparat in der Mitte eines BHs, die Mikropistole als Manschettenknopf oder die schießende Taschenuhr mit Giftkugeln. Weit weniger spektakulär, aber weitaus mehr am Wissenstransfer interessiert war Karl-Heinz Glocke aus Bochum, der Kraftwerkstechnologie von RWE unentgeltlich in die DDR weiterreichte – und der 1979 enttarnt wurde, im selben Jahr, als der in Wattenscheid geborene James Bond mit „Moonraker“ in die Kinos kam – daraus präsentiert die Ausstellung das Edelstahlgebiss des Bond-Gegners „Der Beißer“.

Von „ddibas“ bis „adibas“

Und vom Wissenstransfer ist es nur ein kleiner Schritt bis zur Produktpiraterie. Denn Wissen heißt ja manchmal auch: wissen, wie man es macht. Die Hersteller der vielen Kinderschuhe, auf denen „ddibas“ oder „adibas“ steht, wissen jedenfalls zu wenig über das lateinische Alphabet, genau wie die Nachahmer, die „flshrue“ auf die Packungen für jene Dübel schrieben, die Artur Fischer einst erfand. Markenproduktfälschung als Luxus für alle?

Der Schatten der Erfinderwelt – heißt Produktpiraterie.
Der Schatten der Erfinderwelt – heißt Produktpiraterie. © Ralf Rottmann

Was so egalitär tut, ist ja in der Regel nichts anderes als eine kriminelle Gewinnabschöpfung durch mindere Qualität. Anders wiederum verbreitete sich das Rad: die ältesten Exemplare aus der Zeit um 3200 v. Chr. hat man in Slowenien ausgegraben, aber auch in Polen, Deutschland, Georgien, dem Irak und Pakistan ähnlich alte gefunden. Wer es erfunden hat, ist heute längst egal, denn die Menschheit hat immer weiter an der Verbesserung gearbeitet, bis hin zu ICE-Radreifen und babypopoglatten Formel-1-Slicks