Der Netflix-Film „The Dirt“ widmet sich der Karriere der Hardrockband Mötley Crüe – viel Sex, Drugs and Rock’n’Roll inklusive.

Auch wenn diese Geschichte hier auf einem Buch basiert, handelt es sich um alles andere als eine gediegene Literaturverfilmung. Denn die Vorlage, von der hier die Rede ist, ist die berüchtigte Musiker-Autobiografie „The Dirt: Sie wollten Sex, Drugs & Rock’n’Roll“ der noch viel berüchtigteren Heavy-Metal-Band Mötley Crüe.

Netflix hat sich an die Umsetzung des als unverfilmbar geltenden Kompendiums der Ausschweifung und Sittenlosigkeit gewagt. Und eins vorweg: Zuschauer mit ausgeprägter Hemmschwelle in Bezug auf Körperflüssigkeiten und andere Unanständigkeiten sollten diese Rocker-Verfilmung tunlichst meiden. Die Bandmitglieder Nikki Sixx, Mick Mars, Vince Neil und Tommy Lee eint nämlich ein recht großzügig ausgelegter Moralkodex, zu dessen Grundwerten ausgiebiger Drogenkonsum, sexueller Exzess, religiöser Frevel sowie ein vehementer (Selbst-)Zerstörungstrieb zählen.

Authentische Hardrock-Posen

Es gehört zu den größeren Wundern der Rock’n’Roll-Geschichte, dass die Stammbesetzung dieses Metal-Ensembles bis heute am Leben ist, denn eigentlich haben seine Mitglieder alles substanzmögliche unternommen, um die eigene Biografie abzukürzen. Vorteil dieser Grundzähigkeit: Die Band konnte bei der Ausarbeitung des Films über ihre Karriere Pate stehen. Den jungen Darstellern Daniel Webber (Bild r.), Douglas Booth (Bild l.), Machine Gun Kelly alias Colson Baker und Pete Davidson durften sie deshalb wertvolle Lektionen im Sich-Danebenbenehmen erteilen. Selbstverständlich gehört dazu auch das Antrainieren authentischer Hardrock-Posen in dazu passender Kostümierung. Sprich: Skinny Jeans, ein wohldefiniert-nackter Hungerhaken-Oberkörper, Schminke im Gesicht und natürlich jede Menge Haarspray für die der Schwerkraft trotzenden Tolle.

In rasanten Etappen verfolgen wir die Laufbahn der aufstrebenden Bühnenhelden. Zu den Hits der Band zählen Songs wie „Kickstart My Heart“, „Home Sweet Home“ und „Girls, Girls, Girls“. Letzterer ist auch das Grundmotto der Mötley-Crüe-Mannen. An der Stelle stellt sich aus Perspektive des heutigen Zuschauers eine peinliche Berührtheit ein. Passen doch die breitbeinigen Posen und die dazugehörige Ich-grabsch-sie-mir-Mentalität der Rockerjungs so gar nicht zum heutigen in Geschlechterfragen sensibilisierten Zeitgeist. Frauen sind in „The Dirt“ im besten Fall Staffage. Auch einen rhetorisch oder inhaltlich sinnvollen Satz darf keine der Akteurinnen und Weggenossinnen äußern.

Wie ein Ausflug ins Rock-Museum

Man betrachtet diesen Film daher besser – in musealer Hinsicht – als einen Ausflug in die Legendenkammer der Rockmusik. Dorthin, wo die Gitarrenhelden für immer schlank, jung und geil sind und die Groupies willig.

Wegen einer Szene lohnt sich dieser Film dann aber doch sehr. In ihr legt Black-Sabbath-Sänger Ozzy Osbourne einen sehr speziellen Auftritt hin. Mit herrlichem Gewaltknall, angetan mit Bademantel und Schlappen, verkörpert ihn Tony Cavalero. Es kommt zur totalen Eskalation. Auch die Mötley Crüe müssen einsehen: Im Rock’n’Roll gibt es immer einen, der härter ist als man selbst.

The Dirt
1 Std. 48 Min., ab 22. März
Onlinestreaming, Netflix
FSK k. A., Wertung: 3 von 5 Sternen