Der Autor Feridun Zaimoglu gibt den beredten Mann – und schreibt „Die Geschichte der Frau“ in zehn Kapiteln.

Die Geschichte der Frau, sie wurde doch immer schon von einem Mann erzählt: Ob jene von Antigone oder von Brunhild oder von Lore Lay, die Clemens von Brentano einst erdachte. Und der damit nicht nur Heinrich Heine inspirierte, sondern nun auch noch Feridun Zaimoglu, in dessen hehren, feministischen Befreiungsabsichten noch jedes Wort zu einem Schlag-Wort wird. Und so klagt seine Magd Lore (Lay) über „den feinen Herrn Wenzeslaus“ (Brentano), er sei „ein trostloser Pilger, bleich und selig. Er hat ein klapperndes Maulwerk, es geht auf und zu, er mahlt die Worte, und an seinen Zähnen bleiben Lügen haften“.

Antigone und Valerie Solanas

Zehn Geschichten von zehn Frauen vereint der in Kiel lebende, türkischstämmige Zaimoglu in seiner „Geschichte der Frau“, will aus dem Chor Allgemeingültigkeit herausfiltern, prangert sprachverliebt die vielfältige und doch immergleiche jahrhundertelange Unterdrückung an. Dabei spannt er den Bogen von Zippora, der dunkelhäutigen Frau des Moses, über die Fabrikantentochter Lisette Bielstein und den Elberfelder Aufstand (mit einem Gastauftritt von Friedrich Engels) bis hin zu Valerie Solanas, die 1968 gegen Andy Warhol die Waffe erhob. Und scheut sich nicht, auch die eigene Kunst-Figur Leyla, die türkische Einwanderin in Berlin aus gleichnamigem Roman, noch einmal wiederzubeleben.

So unterschiedlich diese Figuren sein müssten, so wenig differenziert aber zeichnet sie Zaimoglu. Seine kurzen Schlaglichter lassen innere Entwicklungen vermissen. Auch wenn die Frauen in der ersten Person und im Präsens von sich sprechen, bleiben sie der Leserin fern, bleiben ihre Stimmen gefärbt vom arg breitbeinigen Duktus des Autors. Ebenso schablonenhaft sind die Männer gezeichnet, die in diesen Texten vor allem Gewalttäter sind, lüstern und rücksichtslos.

Feridun Zaimoglu eignet sich weibliche Geschichten an

Die Forderung nach einer „weiblichen“ Geschichtsschreibung, in der die Taten, Erfindungen, Kunstwerke von Frauen gewürdigt werden, gehört längst zu den feministischen Standards. Wer eine solche Würdigung von Zaimoglu erwartet, wird enttäuscht. Seine Aneignung weiblicher Geschichten bleibt ganz der Kunst verpflichtet und damit ein künstliches Werk, das sich am Ende gegen den Künstler selbst richtet (das darf man vielleicht als Ironie verstehen): Valerie Solanas schießt auf Andy Warhol, weil dieser ein Manuskript von ihr verbummelt hat – sie also gewissermaßen mundtot machte. Das will Zaimoglu sich offenbar keinesfalls vorwerfen lassen: Er ist der bewegte, der beredte Mann.

Nominiert für den Preis der Leipziger Buchmesse

Wenn in der kommenden Woche der Preis der Leipziger Buchmesse verliehen wird, dürfte er denn auch gute Chancen haben: Zu Zeiten von #metoo und Gendersternchen könnte die Jury sich mit dieser Wahl auf der politisch korrekten Seite wähnen.

Feridun Zaimoglu: Die Geschichte der Frau. Kiepenheuer & Witsch, 400 S., 24 €
Lesungen in der Region: 12. April, 20 Uhr, Prinz-Regent-Theater Bochum. 9. Mai, 20 Uhr, Buchhandlung Proust Essen. 10. Mai, 19.30 Uhr, Grafschafter Museum Moers