Essen. . Er war ein schüchternes Musik-Genie im Rampenlicht: Mark Hollis, Sänger von Talk Talk, ist im Alter von nur 64 Jahren verstorben.

Mark Hollis zählte zu den großen musikalischen Melancholikern der 80er-Jahre, vielleicht war er der vollendetste von allen. Er ließ mit den Songs seiner Band Talk Talk Millionen Teenager eintauchen in die Erhabenheit einer Tristesse, die mehr war als nur zeitgeistige Pose. Auf der Bühne stand er mit Sonnenbrille, strähnigem Haar im Gesicht, den Blick eher auf die Füße als zum Publikum gerichtet: Inbegriff des introvertierten Künstlers, der sich nie richtig wohl im Rampenlicht fühlte.

Doch dorthin zogen ihn seine Welthits, die stets komplexer und vielschichtiger waren als die Pop-Konfektionsware jener Zeit. „Such A Shame“ mit dem signifikanten Trompeten von Elefanten zu Beginn, den grandiosen Breaks in der Mitte und einer verschrobenen Basslinie. „It’s My Life“, bei dem man zu Anfang an Vogelgesang denkt – und das nicht nur einmal die Charts stürmte, denn 2003 machte Gwen Stefani mit ihrer Band No Doubt die Hymne über Selbstbestimmheit und Unabhängigkeit nochmals zum Hit. Auch „Life’s What You Make It“ und „Living In Another World“ gingen trotz gehöriger Sperrigkeit über die Tanzflächen und in die traurigen Herzen eines mitleidenden Publikums.

Mark Hollis hatte einen Hang zum Klangexperiment

Wäre es nach den Plattenbossen gegangen, hätten Talk Talk nie die Ecke von New Romantic und Synthie-Pop verlassen. Doch schon die beiden ersten Alben „The Party’s Over“ (1982) und „It’s My Life“ (1984) offenbarten, dass Mark Hollis musikalisch trotz aller Eingängigkeit einen Hang zum ruhigen Klangexperiment was auf dem dritten Album „The Colour Of Spring“ deutlicher durchschimmerte.

Von den Fesseln der Gefälligkeit befreite sich Hollis dann 1988 auf „The Spirit Of Eden“, in kommerzieller Hinsicht glatter Selbstmord, in künstlerischer Hinsicht ein Meilenstein: Hollis vereinte Einflüsse aus Jazz, Klassik, Weltmusik und Avantgarderock zu einem stillen, ganz eigenwilligen Werk. Er sagte dazu: „Das Größte, was Musik erreichen kann, ist eine Existenz außerhalb der Zeit, in der sie geschrieben wurde.“ Das ist ihm gelungen. Was sollte danach noch groß kommen?

Kurz vor der Jahrtausendwende verschwand Hollis beinahe vollständig aus der Öffentlichkeit, musikalisch und als Person, um sich seiner Familie zu widmen. Wie jetzt bekannt wurde, ist er im Alter von 64 Jahren nach kurzer, schwerer Krankheit für immer verstummt.