Essen. . Loriots Blick auf Wagners „Nibelungenring“ wird am Aalto-Theater zur platten Sketch-Parade. Die Regie verhebt sich gründlich.
Komisch ist, sagt Loriot, was scheitert. So gesehen musste ihm Wagners Götterwelt als erheiternder Familienbetrieb scheinen: Und doch ging es dem Aristokraten unter Deutschlands Humoristen um mehr, als er 1992 mit dem „Ring des Nibelungen“ die längste Oper der Welt auf einen Abend von erfrischender Kürze brachte. In Loriots „Ring an einem Abend“ kam vor allem eine Verehrung für Wagners Musik zum Ausdruck. Dass es augenzwinkernd geschah, lag in der Natur des Autors.
An Essens Aalto Theater liegt der Fall seit Sonntag Abend anders, leider. Loriots Nacherzählung des Nibelungenrings ist eine Liebeserklärung, die völlig verrutschte Inszenierung Sascha Krohns ist: eine Absichtserklärung. Die Absicht ist ungefähr die: Es ist viel zu wenig, der ironischen Raffinesse zu vertrauen, mit der Loriot Wagners Wort und Musik fein schattiert unters Brennglas nimmt. Nein, auf Loriots Wagner muss Wagners Loriot gestülpt werden.
„Ring an einem Abend“ hatte am Sonntag Premiere
Das ist leicht zu erkennen und schwer zu verkraften. Es prasselt Zitate, eins unpassender als das andere. Es hüpfen die Rheintöchter samt weißroter Badehaube in die Badewanne der Herren Müller-Lüdenscheidt und Klöbner. Göttersitz Walhall ist das Atomkraftwerk von Dicki Hoppenstedts Gabentisch. Die alle Grenzen sprengende Inzest-Ekstase von Siegmund und Sieglind presst Krohn ins Kleinbürger-Korsett des legendären Sketchs „Liebe im Büro“ („Würden Sie ihr Haar lösen, Renate?“). Und schon lange, ehe Wotan Lieblingstochter Brünnhilde in den Dauerschlaf bannt, fürchten wir, dass im Aalto in aller Einfallslosigkeit „Der Bettenkauf“ nicht lange auf sich warten lässt. So naheliegend kommt es und es kommt, auch im Liegen, nichts dabei heraus.
Wo Loriot das Florett einsetzt, regiert im Aalto der Holzhammer
Doch sind die vorwiegend platt in den Kosmos von „Walküre“ und „Götterdämmerung“ transferierten Alltagskatastrophen nicht das Schlimmste des Abends. Dem Loriot, der seine Grenzen kannte und der als Betrachter des Nibelungenrings immer nur das feine Florett einsetzte, begegnet Krohn mit dem Holzhammer einer Trash-Ästhetik, die in Badelatschen daherkommt und bei Siegfrieds Brautschau mit „Mon Chéri“ um sich wirft. Loriots Nibelungensicht umspielt das Lächeln der Bewunderung, Krohn hält Würdeloses bereit. Und Logik-Fehler: Den fertigen Ring findet Alberich hier in der Wanne des Rhein – im Text wird er erst viel später, in Nibelheim, geschmiedet.
Welcher Trost, dass die größten Lacher im Publikum nicht der lauten Klamotte gelten, sondern allein der Sprache Loriots. Jens Winterstein verkörpert ihn: köstlich diskret, leicht dauerbeleidigt, ein todernster Weißclown im dunklen Anzug. Die Sänger, verdammt in nervig übertriebenem Spiel allesamt dauerpräsent zu sein, schenken den bald vier Stunden Klasse, allen voran Almas Svilpas souveräner Wotan, Daniela Köhlers Brünnhilde mit enormer Sopranfanfare und mit Tamara Banješević eine grandios sinnliche Woglinde, von der man unbedingt mehr hören möchte. Essens Philharmoniker fühlen unter Robert Jindra Wagner mustergültig und durchaus elegant den dramatischen Puls.
Echte Möpse auf der Bühne – aber die wollen nur eins: weg
Die Möpse übrigens, von denen im Vorfeld so viel die Rede war, gibt es, aber sie wollen eigentlich die ganze Zeit bloß eins: weg von der Bühne. Komisch ist, sagt Loriot, was scheitert. So gesehen war das ein ziemlich komischer Abend.
>>> Weitere Termine und Karten
Der Ring an einem Abend. Aalto-Theater. Ca 3:45h, eine Pause. Karten 27-55€, 0201-8122200. Termine: 2. März, 14. April, 26. Mai., 8.Juni, 5. Juli.